Friedensrepräsentationen in der Frühen Neuzeit

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Henning P. Jürgens

Friedensrepräsentationen in der Frühen Neuzeit

Einleitung

Die Frühe Neuzeit in Europa, die Zeit zwischen ca. 1500 und 1800, war eine Zeit der Friedlosigkeit – bestimmt von zahllosen kriegerischen Auseinandersetzungen: Es verging kaum ein Jahr ohne Krieg. Doch auch die längsten Kriege kamen irgendwann zu einem Ende. In mehr als 2000 zwischen- und binnenstaatlichen Friedensverträgen wurden die Konflikte wieder beigelegt, so dass sich eine spezifische Kultur des Friedenschließens entwickelte. Dies gilt besonders für die Zeit nach dem Westfälischen Frieden, der 1648 u.a. den Dreißigjährigen Krieg beendete.

Dieser Krieg, der langwierigste und regional am weitesten ausgreifende bewaffnete Konflikt des 17. Jahrhunderts, erfasste weite Teile Europas und brachte für viele deutsche Territorien schwere, teils sogar katastrophale Auswirkungen mit sich. Durch Kämpfe, Plünderungen, Hungersnöte und Seuchen wurden einige Landstriche fast entvölkert. Entsprechend waren die Hoffnungen groß, als es schließlich zu Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück kam. Wie kaum ein Ereignis zuvor wurden die Friedenskongresse zum Gegenstand der öffentlichen Anteilnahme und Berichterstattung. Schon vor dem Friedensschluss herrschte eine hohe Erwartungshaltung (⌘ Quelle 1); nach der Unterzeichnung der Friedensverträge am 24. Oktober 1648 verbreitete sich die Nachricht in Windeseile mit allen Mitteln der Kommunikation, besonders mit populären Flugblättern wie dem »Friedensreiter« (⌘ Quelle 2). Die Friedensnachricht wurde vielfach mit spontanen Friedensfeiern, aber auch mit Feiern auf obrigkeitliche Anordnung aufgenommen. Solche angeordneten Feiern (⌘ Quelle 3) fanden vor allem nach dem Ende des Nürnberger Exekutionstags am 2. Juli 1650 statt, auf dem die Umsetzung der Friedensbestimmungen und die Demobilisierung der verbliebenen Truppen verhandelt worden waren. Erst die Nürnberger Einigungen brachten die endgültige Beilegung des Kriegs, weshalb schon unter den Zeitgenossen vom 32jährigen Krieg die Rede war (⌘ Quelle 4). Dabei erweisen sich die Friedensfeste zumeist als ein genuin protestantisches Phänomen; auf katholischer Seite wurde der Westfälische Frieden kaum gefeiert. Die Konfrontation zwischen den Konfessionen, die einer der Auslöser des Krieges gewesen war, setzte sich in den Feiern damit teilweise fort, denn auf katholischer Seite herrschte häufig Unzufriedenheit mit den Ergebnissen des Friedens.

Doch etablierten sich die Feiern anlässlich von Friedensschlüssen mit Gottesdiensten und breiter Teilnahme der Öffentlichkeit als Praxis, die auch in anderen europäischen Ländern gepflegt wurde. So kam es noch mehr als ein Jahrhundert später, nach Ende des Siebenjährigen Kriegs 1763, ebenfalls zu solchen Friedensfeiern. Dieser Krieg hatte alle großen Mächte Europas einbezogen und auch in Übersee Kämpfe ausgelöst, weshalb einige Historiker ihn auch als ersten »Weltkrieg« bezeichnen. Die sich überlagernden Konflikte wurden auf Friedenskongressen in Paris und Hubertusburg 1763 beigelegt. Anschließende Friedensfeiern fanden etwa in verschiedenen Territorien des Reichs, in England, aber auch auf dem amerikanischen Kontinent statt. Auch in Sachsen, das im Krieg erhebliche Zerstörungen und Belastungen erfahren hatte und im Frieden nach Meinung vieler Zeitgenossen unvorteilhafte Regelungen akzeptieren musste, wurden – wiederum auf Anordnung des Landesherrn – Dankfeste veranstaltet. An der Ausgestaltung der Feste wie am Tenor der dazu verfassten Texte lässt sich ein deutlich verändertes Verhältnis von Politik und Religion erkennen, denn in die geistliche Interpretation von Krieg und Frieden mischten sich deutliche, auch kritische Stellungnahmen zur politischen Rolle der Obrigkeit (⌘ Quelle 6).

Integraler, manchmal sogar einziger Bestandteil dieser Friedensfeiern waren Dankgottesdienste, die mit feierlichem Einzug in die Kirche, mit Gebeten, Gesängen (⌘ Quelle 5), Bibellesungen und Predigten (⌘ Quellen 1, ⌘ 3, ⌘ 6) dem Frieden gewidmet wurden. Den Predigten kam dabei die Aufgabe zu, biblische Aussagen und Texte auf die aktuelle Situation hin auszulegen, den erreichten Frieden als politisches, vor allem aber als geistliches Ereignis zu deuten, die Rolle der Obrigkeiten zu interpretieren und ethische Konsequenzen aus dem Erlebten zu ziehen. Die Prediger erfüllten damit eine Aufgabe, die sich im Spannungsfeld von christlicher Verkündigung und politischer Kommunikation bewegte und zugleich seelsorgerliche, interpretative und handlungsunterweisende Elemente enthielt.

Die hier vorliegenden Quellenauszüge dokumentieren in beispielhafter Weise die Verbreitung der Friedensnachricht, die Friedensfeiern und Friedenspredigten zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs und des Siebenjährigen Kriegs. Anfang des 17. Jahrhunderts war im Städtchen Ronneburg, östlich von Gera im damaligen Herzogtum Sachsen-Altenburg gelegen, Philipp Wernicke als Superintendent und Pastor tätig. Er hat in dieser Zeit drei Friedenspredigten drucken lassen: Eine Weihnachtspredigt des Jahres 1647 über den Frieden vor Abschluss der Verhandlungen in Münster und Osnabrück (⌘ Quelle 1); eine Predigt nach Bekanntwerden der Nachricht des Friedensschlusses (nicht wiedergegeben) und eine dritte (⌘ Quelle 4) aus Anlass des Friedensfestes 1650, das im Herzogtum und in vielen anderen deutschen Territorien nach Abschluss der Nürnberger Verhandlungen veranstaltet wurde. Über Wernicke ist nur wenig bekannt: Er wurde 1594 in der Nähe von Leipzig geboren, studierte in Leipzig, wurde nach Erwerb des Magistergrads 1618 Pastor in Meuselwitz in Sachsen, legte im selben Jahr noch das Bakkalaureat in Theologie ab und war seit 1625 als Pastor und Superintendent in Ronneburg tätig. Er starb 1665. Seine Predigten weisen ihn als typischen Vertreter der lutherischen Theologie des 17. Jahrhunderts aus. Zur Zeit der Predigten herrschte über Ronneburg Herzog Friedrich Wilhelm II. von Sachsen-Altenburg (1603, reg. 1635–1669) aus der ernestinischen Linie der Wettiner, auch er ein Vertreter des orthodoxen Luthertums. Der Herzog bemühte sich durch zahlreiche Verordnungen sein durch den Krieg zerstörtes Herzogtum zu konsolidieren. Zur Feier des Friedensfests 1650 erließ er eine detaillierte Verordnung (⌘ Quelle 3), wie die Gottesdienste aus diesem Anlass zu feiern seien. Der Westfälische Frieden gab auch den Anlass für das Friedenslied (⌘ Quelle 5) des wohl bedeutendsten protestantischen Liederdichters, Paul Gerhardt (1607-1676). Es erschien erstmals gedruckt in der 5. Auflage des Gesangbuchs »Praxis pietatis melica«, die 1653 veröffentlicht wurde.

Zum Ende des Siebenjährigen Kriegs hielt in Dresden der Pfarrer, Superintendent und Beisitzer des sächsischen Oberkonsistoriums Johann Joachim Gottlob Am Ende (1704–1777) eine Predigt am allgemeinen Friedens-Dankfest am 21. März 1763 (⌘ Quelle 6). Der Druck der Predigt verrät schon die unmittelbaren Auswirkungen des Krieges für den Prediger: Der Gottesdienst fand in der Frauenkirche statt, wird aber als »gewöhnliche[r] Creutz-Kirchen-Gottesdienst« bezeichnet; die Kreuzkirche war bei der Belagerung Dresdens im Krieg zerstört worden, so dass die Gemeinde ausweichen musste. Johann J.G. Am Ende war einer der populärsten Prediger seiner Zeit, von dem sich viele gedruckte Predigten erhalten haben. Seine Predigt verdeutlicht, wie wichtig die Rolle der Pastoren bei der Vermittlung von Friedensverträgen war. Der Prediger griff bei seinem Lob des Friedensschlusses auch kritische Stimmen auf, die mit dessen Ergebnissen offenkundig nicht zufrieden waren. Er betonte nicht nur die geistliche Deutung des Kriegs als göttliche Strafe, sondern thematisierte auch dessen weltliche und religiöse Folgen. Darin tritt auch ein verändertes Verhältnis von Religion und Politik zutage: Die frühere selbstverständliche Bekräftigung der weltlichen Ordnung als gottgewollt ist in dieser Predigt einer differenzierenden und argumentierenden Affirmation gewichen.

Weiterführende Literatur

  • Heinz DUCHHARDT, 1648 – das Jahr der Schlagzeilen. Europa zwischen Krise und Aufbruch, Wien 2015.
  • Luise SCHORN-SCHÜTTE, Gottes Wort und Menschenherrschaft. Politisch-theologische Sprachen im Europa der Frühen Neuzeit, München 2015.
  • Etienne FRANÇOIS / Claire GANTET, Vergangenheitsbewältigung im Dienst des Friedens und der konfessionellen Identität. Die Friedensfeste in Süddeutschland nach 1648, in: Johannes BURKHARDT (Hg.), Krieg und Frieden in der historischen Gedächtniskultur. Studien zur friedenspolitischen Bedeutung historischer Argumente und Jubiläen von der Antike bis in die Gegenwart, München 2000, S. 103–124.
  • Ute MENNECKE, Paul Gerhardts Lieder zu Krieg und Frieden, in: Dorothea WENDEBOURG (Hg.), Paul Gerhardt – Dichtung, Theologie, Musik. Wissenschaftliche Beiträge zum 400. Geburtstag, Tübingen 2008, S. 175–205.
  • Hans-Jürgen ARENDT, Sachsen, der Siebenjährige Krieg und die Hubertusburger Friedensverträge 1763, in: Susanne HAHN (Hg.), Wissenschaft und Kunst im Zeichen von Krieg und Frieden, Wermsdorf 2011, S. 30–57.


Zitationsempfehlung des Beitrags

Henning P. JÜRGENS, Friedensrepräsentationen in der Frühen Neuzeit: Friedensfeiern, -predigten und -lieder, in: »Religion und Politik. Eine Quellenanthologie zu gesellschaftlichen Konjunkturen in der Neuzeit«. Hg. v. Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), URL: http://wiki.ieg-mainz.de/konjunkturen/index.php?title=Friedensrepräsentationen_in_der_Frühen_Neuzeit