Manuel von Corinth, Schreiben an Neagoe Basarab, Woiwoden der Walachei

Aus Konjunkturen
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Zwischen orthodoxer Konformität und politischem Pragmatismus: Die Walachei im 16. Jahrhundert

Quellentext

Dem hohen und vornehmsten Herr Ioan Neagoe, Großwoiwode[1] und Basileus und Autokrator der gesamten Ungrovalachia, schickt Manuel, Großrhetor der Großen Kirche, alle besten Wünsche.

Allerhöchster, vornehmster, allerfrommster und überaus rechtgläubiger Herr Ioan Neagoe, Großwoiwode und Basileus und Autokrator der gesamten Ungrovalachia! Da du mir befohlen hast, dich in den Gründen zu unterrichten, aus denen sich die Lateiner mit falschen Argumenten von der Wahrheit und von uns [den Orthodoxen] entfernt haben, sodass sie ganz der Häresie verfallen sind und zurecht als Ketzer bezeichnet werden, beginne ich damit, dir von dem falschen Dogma und von ihrer größten Blasphemie gegen den Heiligen Geist zu berichten. Sie behaupten, dass der Heilige Geist sowohl vom [Gott-]Vater als auch vom [Gott-]Sohn hervorgeht und dass Er seine Existenz und seine Wesenheit aus diesen beiden Hypostasen herleitet. Die Lateiner stipulieren also zwei Prinzipien innerhalb der Heiligen Dreifaltigkeit, was allerdings ein Irrtum vom rechten Glauben darstellt. Wir erkennen und bekennen, dass nur der Vater Ursache und Prinzip sowohl des Sohnes als auch des Heiligen Geistes, sowie Quelle aller Göttlichkeit ist. […]

Außerdem denken die Lateiner in blasphemischer Art und Weise, dass das Wesen Gottes und seine Energien irgendwie durcheinander gemischt wären, während wir dies ganz anders sehen, nämlich dass – obwohl beide unerschaffen und ewiglich sind – eins das Wesen und eins die Energien Gottes sind; denn, so wie die Sonnenscheibe am Himmel steigt und uns mit Licht überflutet und in dieser Art und Weise gewissermaßen mit uns eins wird, in derselben Art und Weise geschieht es mit dem Wesen Gottes, das sich unzählige Male über uns erhebt und von uns absolut verschiedentlich ist und trotzdem erreicht uns ihre heilige Energie alle Tage und erleuchtet uns. […]

Außerdem benutzen die Lateiner ungesäuertes Opfer[2] wie die Juden und untermauern diesen Brauch mit viel lügnerischem Schwafeln. Sie meinen, dass am Vorabend der passiones Christi der Herr den Aposteln kein gesäuertes Brot verteilt habe, sondern Azyma, da zu der Zeit das jüdische Passah gefeiert wurde und das wird [wie alle wissen] mit Azymen gefeiert. Und sie hätten das jüdische Passah im Stehen gegessen. Es ist jedoch so, dass, als unser Herr das letzte Abendmahl gegessen hat, er mit den Zwölf am Tisch saß […]. Daher hat [Christus] uns das andere Passah überlassen, das mystische. […] Er nahm gesäuertes Brot und kein Azyma und, nachdem er es – segnend – brach, verteilte er es an die Jünger: »Nehmt, esst, das ist mein Leib« [Mt 26,26]. Denn beim letzten Abendmahl hatten sie tatsächlich gesäuertes Brot, keineswegs Azyma. Und der Herr hat auch kein jüdisches Passah gefeiert. Apostel Paulus äußert sich diesbezüglich und meint das gesäuerte Brot, wenn er sagt: »Darum lasset uns Ostern halten nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Bosheit und Schalkheit, sondern im Süßteig der Lauterkeit und der Wahrheit« [1. Kor 5,8]. Er [Paulus] meinte wohl den Irrtum der Hellenen und den damit verbundenen falschen Glauben, als er vom Sauerteig der Bosheit und Schalkheit sprach. […] [I]n dieser Hinsicht begehen die Lateiner eine Blasphemie, wenn sie ihr Opfer in der Art und Weise der Juden darbringen.

Noch dazu kommt die Praxis der Taufe: Wenn sie jemanden taufen, sagen sie nicht »es wird der Knecht Gottes X, Y im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft«; sie sagen »ich taufe X, Y« und somit schließen sie jede freie Entscheidung des Katechumenen (Taufbewerbers) zur Taufe aus. Sie machen auch keine drei Tauchgänge. Und welch [schwache] Gebete benutzen sie, die Armen, während bei uns die göttlichen Exorzismen des unter den Hierarchen überaus großen Basilius gegen die Dämonen ausgesprochen werden.

Außerdem scheint es nicht nur, dass sie den Heiligen Myron[3] falsch und gegen die Lehre des Hierophanten Dionyssios Areopagita einsetzen, sie verwalten schlecht alle Sakramente der Heiligen Kirche sowie ihre Gesetze. Und wie weit entfernt ist Alles [bei ihnen] von dem, was die göttlichen Apostel und die Heiligen Konzile verkündet haben.

Und was kann man noch über ihr Priesteramt sagen? Viel Schädliches und Unreines lastet auf ihnen, denn, was der Seele verheerend schadet, betrachten sie als harmlos: Sie kämpfen sogar gegen Gott und sprechen gegen das Wort des Herrn. Denn der Herr sagt doch im Evangelium: »denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen heraus böse Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Arglist, Ausschweifung, Missgunst, Lästerung, Hochmut, Unvernunft. Alle diese bösen Dinge kommen von innen heraus und machen den Menschen unrein« [Mk 7, 21-23]; also bringen sie ihn zur Besinnungslosigkeit. Sie aber machen all diese böse Sachen und andere ähnliche ohne jegliche Erschütterung und denken dabei auch noch, dass sie dadurch nicht verunreinigt werden und diese Schandtaten seien auch nicht schädlich, obwohl an sich all dies eindeutig gegen das Wort des Herrn steht.

Noch dazu kommt, dass sie es bekennen und glauben, dass nach dem Tode die Seelen im Feuer geläutert werden. […] Die Läuterung der Seele findet aber im Leben statt, durch Reue, Buße und gute Werke. Auch in dieser Hinsicht teilen sie die Meinung mit dem unangemessenen Origenes.

Und noch schlimmer: Es scheint, dass die Narren ihre Feiertage zusammen mit den Juden feiern und ihre Psalmen mit diesen zusammen singen. Bei den Prozessionen stellen sie die Juden mit ihrem [Alten] Testament in die vordere Reihe. Und sie selbst kommen danach und singen Psalmen. So zeigen sie, dass zuerst die Juden waren, und erst dann folgten sie im Glauben. Wenn es aber so wäre, sollten sie allerdings auch die Hellenen dazu einladen, um ihre Prozessionen zu führen. Denn die Hellenen sind älter als die Juden gewesen; die Hellenen sollen sie mit dazu eingeladen haben, um auf ihren Schultern das Götzenbild des Apollos zu tragen.

[…] Sie weisen viele andere noch schlimmere Unterschiede [zu uns] auf als die erläuterten, die hier eigentlich verunglimpft werden sollten. Es reicht aber doch, um ihren schlechten Glauben aufzuzeigen; aufgrund dieses [schlechten] Glaubens können wir uns [getrost] jedem Gespräch und jeder Disputation mit ihnen versperren, denn wir sollten sie einfach nur vermeiden und einen Umweg um sie machen, als ob sie unheilbar Kranke wären, die von typisch jüdischer Feindseligkeit gegen die Orthodoxen zerfressen sind.

[…] All dies habe ich Dir in Kürze wie ein Diener Deiner herrscherlichen und erleuchteten Weisheit dargelegt, sodass Du die Vielfalt, Schlechtigkeit und Böswilligkeit der Lateiner erkennst.

Bibliographie

Editio princeps von TANAȘOCA, Nicolae-Șerban, Scrisoarea marelui ritor al Patriarhiei ecumenice Manuil din Corint către Neagoe Basarab, in: Tabor 5,8 (2011), S. 5–15. Übersetzung von Mihai-D. Grigore.

Anmerkungen

  1. Ein Titel der Fürsten von der Walachei und der Moldau, welcher ihren Status als Oberbefehlshaber des versammelten Landesheeres betonte.
  2. Opfer (gesäuert/ungesäuert): Eine andere Bezeichnung für die Eucharistie, als Erinnerung an das blutige Opfer Christi für die Menschen. Die Orthodoxe Kirche feiert die Eucharistie mit gesäuertem Brot (artos), während die Katholische Kirche das ungesäuerte Brot (azyma) verwendet.
  3. Salböl für kirchliche Weih- und Salbungsrituale.