Dekret vom 21. Februar 1795 (3. Ventôse, Jahr III) zur Freiheit der Religion und Trennung der Kirche und des Staates

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Religion und Politik in Frankreich: Von der Französischen Revolution bis zur Dritten Republik

Einleitung

Unter der von Robespierre angeführten Schreckensherrschaft (1792–1794) war die Zahl und Intensität von politischen wie auch physischen Angriffen auf den Klerus und die Gläubigen rasant gestiegen. Verstärkt wurde diese antikatholische Haltung durch die Kreierung des »Kults des Höchsten Wesens«. Nach dem Sturz Robespierres und der Beendung des Terrors versuchte der Nationalkonvent diesen Antiklerikalismus mittels des Dekrets vom 21. Februar 1795 (3. Ventôse, Jahr III) zu »entschärfen«. Das Trennungsprinzip kehrte später in der thermidorischen Verfassung vom 22. August 1795 (5. Fructidor, Jahr III) zurück.

Quellentext

Nachdem er den Bericht seiner zusammengekommenen Wohlfahrts-, Sicherheits- und Gesetzgebungsausschüsse gehört hat, verfügt der Nationalkonvent:

Erster Artikel. Gemäß Artikel 7 der Erklärung der Menschenrechte[1] und Artikel 122 der Verfassung darf die Ausübung keiner einzigen Religion gestört werden.

2. Die Republik entlohnt keine einzige davon [cf. die Religion].

3. Sie [cf. die Republik] beschafft keine einzige Räumlichkeit, weder für die Religionsausübung noch für die Unterkunft der Religionsdiener.

4. Die Zeremonien aller Religionen sind außerhalb des dafür bestimmten Bereichs verboten.

5. Das Gesetz erkennt keinen Geistlichen an: keiner darf mit den Habiten, Ornaten oder Gewändern, die für religiöse Zeremonien bestimmt sind, in der Öffentlichkeit erscheinen.

6. Jede Versammlung von Bürgern zur Ausübung irgendeiner Religion unterliegt der Überwachung der ernannten Autoritäten. Diese Überwachung ist in den Maßnahmen der Polizei und der öffentlichen Sicherheit enthalten.

7. Kein Zeichen, das einer Religion gehört, darf an einem öffentlichen Ort oder im Freien aufgestellt werden, auf welche Art und Weise auch immer. Keine Beschriftung darf den Ort, der für sie [cf. die Religion] bestimmt ist, kennzeichnen. Kein Aufruf und keine öffentliche Einberufung darf erfolgen, um die Bürger dorthin einzuladen.

8. Die Kommunen oder Bezirke dürfen im Namen der Gemeinschaft keine Räumlichkeit zur Ausübung der Religion erwerben oder anmieten.

9. Es darf weder eine immerwährende oder lebenslange Stiftung noch eine Steuer für die Deckung der Kosten eingerichtet werden.

10. Wer die Zeremonien einer Religion mit Gewalt stört oder deren Gegenstände beleidigt, wird gemäß dem Polizeigesetz vom 22. Juli 1791 bestraft.

11. Das Gesetz vom 2. der Sansculotten[2], Jahr II, zu den kirchlichen Pensionen, bleibt unberührt und die Bestimmungen werden nach Form und Inhalt ausgeführt.

12. Jedes Dekret, dessen Bestimmungen im Gegensatz zu diesem Gesetz stehen, wird aufgehoben; und jede Anordnung gegen dieses Gesetz, die von den Repräsentanten des Volkes in den Departements veranlasst wurde, wird aufgehoben.

Bibliographie

Jean B. DUVERGIER (Hg.), Collection Complète des Lois, Décrets, Ordonnances, Règlemens et Avis du Conseil d’État, 38 Bde., Paris 1824–1938, Bd. 8, S. 32. Deutsche Übersetzung von Eveline G. Bouwers.

Anmerkungen

  1. Im Original ist tatsächlich nur von Déclaration des Droits de l’Homme die Rede; der vollständige Name des Dokuments ist jedoch Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen (d.h. Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte).
  2. Die Sansculotten waren die Arbeiter, Handwerker und Kleinbürger, die sich für radikalen politischen Reformen einsetzten.