Die Kleiderordnung der jüdischen Gemeinde in Fürth 1754 (1728)

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Die visuelle Ordnung der frühneuzeitlichen Gesellschaft: Jüdische Kleiderordnungen

Quellentext

[…]

[S. 147]

Kleyder=Ordnungen

§ 1. Es soll ein Hauß=Vatter / Student / Knab / sowohl ein Einheimischer oder Fremder / derentweder freye Kost hat / oder für sein Geld speist / kein Camisol[1] tragen von Drapd'or[2] oder Brogad[3] mit silbernen oder guldenen / Blumen / sowohl am Sabbath / Festtag oder Werktag und die es schon haben / dürfen damit doch nicht ausgehen / vielweniger neue machen lassen. So oft ers übertritt / so soll er 2. Rthl. [Reichstaler] ins Allmosen geben / sollte er sich dieses zu geben / weigern / so wird man ihn schon zu nöthigen wissen.

[S. 148]

Anmerkung. Das Jüdische Volck hat allerdings eine Kleyderordnung nöthig / da der Pracht und Übermuth in Kleydern täglich unter ihnen / überhand nimmt. Wer dieses Volck recht kennet / der weiß es, daß sie eben so wohl, wie andre auf neue Moden begierig sind. Sollte man denken können, daß den Juden Drapd’or und Brogad müssen verbotten werden, da diese kostbare Zeuge, nur von den vornehmsten getragen werden. Aber die Erfahrung weist es aus, daß ihrer übermächtigen Hoffarth müsse billig Einhalt geschehen. Die gegenwärtigen Verordnungen, werden noch öfters ein Beyspiel von den [sic!] Jüdischen Kleyderpracht geben. Sie verbieten zwar vieles, das allzuprächtig heraus kommt, sie erlauben aber noch manches, das hoffärtig genug läst. Die Juden sehen ihre Hoffarth selbst als etwas schädliches an, und heist es in Tr. [Traktat] Talmud[4] Sannedrin pag. 97. Der Meßias werde nicht ehender kommen, als biß die Hoffarth aufhöret. Freylich hat die Hoffarth denen Juden viel geschadet. Sie hat zwar die Ankunft des Herrn Meßiae nicht verhindert, sie hat aber die Juden abgehalten, daß sie den demütigen Meßiam nicht angenommen haben. Es wird nicht überflüßig seyn / wenn ich etliche Kleyderordnungen anführe in Talmud pag. 11. Moses habe, da er 7. Tage bey der Erwählung Aarons zum Priesterthum opfern muste, ein Kleyd ohne Naht, das ist, ein gewirktes Kleyd angehabt. Er that es aus der Ursachen / damit er bey dem Volck einen Verdacht, des Diebstahls vermeyden mögte. Das wäre gut für manche Juden, die Kleyder von Kazenpelz haben, die da fangen und gerne fremdes Gut ungefragt mitnehmen.

§ 2. Man soll von neuen keinen Schulmantel[5] oder andern Mantel von Damast machen lassen. Denen aber die schon einen tragen / ist es erlaubt / wann sie eine Beschneidung haben / oder zu Gevattern stehen / oder einem Kind / Hochzeit machen.

[…]

[S. 149]

§. 3. Kein lediger Mensch soll einen seidenen Mantel tragen / die aber schon einen haben mögen denselben am Sabbath und Festtagen tragen. Am Sabbath aber / da er die Braut beschenckt / mag er einen neugemachten seidenen Mantel tragen; auch soll kein Haus=Vatter an Werketagen einen Mantel von Seiden tragen.

§. 4. Inskünftige soll kein Haus=Vatter einen sammeten Rock / den er von neuem machen last oder alt kauft / tragen / wann er aber schon einen hat / mag er ihn tragen. Er muß aber am Sabbath seinen Schulmantel darüber anhaben / damit der Rock nicht gesehen werde. Desgleichen / wer einen Rock von Damast an einen Festtag trägt / der muß nothwendig seinen Schulmantel darüber tragen.

§. 5. Kein Haus=Vatter oder lediger Mensch dürfen an Werketagen Strümpfe von Seiden tragen / aber am Sabbath oder Festtag mögen sie es tragen. Also sollen sie auch an den Strümpfen keine Zwickel von Silber oder Gold haben; desgleichen keine gestickte Hauben von Silber oder Gold tragen / auch keine Contouchen[6] oder Schlafröcke von Seiden / damit auf der Gasse zu gehen. Belzhauben / die nur etwas gestickt sind / mögen noch mit gehen.

§ 6. Ingleichen soll ein Haus=Vatter oder lediger Mensch keinen seidenen Rock auf der Gassen tragen / wie auch keinen Rock mit Chagrim[7] [sic! Chagrin] oder andrer Seiden gefütert; denen / die es schon haben / ists verbotten / und also noch vielmehr denen / die es von neuen machen lassen / oder alt kauffen.

Anmerkung: Diese Verordnungen lehren sehr oft, daß die Juden am Sabbath und Festtägen prächtiger als sonsten gehen sollen. Dieses erfordert zwar der Wohlstand, aber bey denen Juden hat es einen andern Ursprung. Sie glauben man müsse den Sabbath und die Festtäge [S.150] mit schönen Kleydern ehren, und damit könne man GOtt wohlgefallen. Dieses befestiget also noch mehr den Ausspruch: Daß die Juden an ihren Sabbathern nur nach Fleischeslust, Augenlust und hofärtigen Leben streben, aber an die rechte Ruhe von Sünden niemahls gedenken. [...]

§ 7. Wer eine Peruque trägt / und genöthiget ist / damit in die Schule[8] zu gehen / darf sie nicht pudern lassen. […]

§ 8 Es soll von nun an kein Haus=Vatter / ein silbern Schloß an dem Schulmantel tragen / und wer innerhalbs / 4. Tagen / dasselbe nicht von dem Schulmantel herunter thut / soll 3. Rthl. Strafe ins Allmosen geben.

§ 9. Inskünftige soll man keine andre Zierrath auf denen Talles[9] haben / als von weissen Atlaß / Damast / Silberstuck oder Drapd’or / alles muß sonst weiß seyn. Man soll auch keinen Talles von Seiden am heiligen Sabbath haben / und wann es auch ein Knab wäre / der das Gesetz übernimmt / so muß der Talles und auch die Zierrath in der Mitte weiß seyn / die es aber schon haben / mögen es tragen.

[…]

[S. 151]

§ 10. Man muß die Menschen aus ihrer Tracht erkennen / und also muß man die Studirenden von andern Leuten und Dienern unterscheiden können. Aus dieser Ursach sollen die Kinder von unserer Gemeine / so studiren / desgleichen Fremde studirende / Krägen tragen. Wer von den Kindern unserer Gemeinde dieses übertritt / der darf sich nicht um einen Titul melden Fremde studirende verliehren ihre freye Kost. [...]

[S.153]

§ 11. Man soll keinen rothen Mantel noch Roqueloure (?), wann er auch von andrer Farbe ist / tragen/ so wohl allhier als in Nürnberg. [...]

[S. 154]

§. 12. Man soll sich keines Schnupftobacks oder ganzen Presils[10] / so wohl in der alten als neuen oder einer andern Schule bedienen / bey Straf 4. Rthl. ins Allmosen.

Anmerkung. Nachdem der eitle Sinn der Juden, vieles dultet, so siehet man, wie sie in ihren Schulen, mit der Tabattiere hervor rucken, und mit den häufigen Saub [sic! Staub], ihren Bärten, das abscheuliche Ansehen geben. Und doch zieret der Bart, wie den Bock so den Juden.


Kleyder der Weiber und Jungfrauen

§. 13. Kein Weib soll einen Guldnen Schleyer oder Sternlein[11] oder durchgezogene Sternlein / oder von Perlein oder Mode Hauben von Drapd’or oder gestickte von Silber und Gold / oder von Guldenen / oder Silbernen Blumen machen lassen. Denen / die dergleichen schon haben / ist es am Sabbath und Festtag / vielmehr aber in der Woche verbotten / ausgenommen / wenn sie zu Gevattern stehen; oder eine Braut begleiten oder eine Kindbetterin in die Schule führen / oder wann ihr Sohn 13. Jahr und 1. Tag alt ist. Die aber dieses übertretten / müssen von Anfang 2. Rthl. zum andernmahl 4. Rthl. und endlich 8. Rthl. Straf geben.

Anmerkung. Der Kleiderpracht hat unter den Jüdischen Weibern sehr überhand genommen. Wegen des Haß gegen die Christinnen, sind der Judinnen ihre Kleydung vielfältig von der Christen ihren unterschieden. Zum Beweiß dienen, die Worte in Kaf Haijoscher cap. 81.[12] sie lauten also: Weil die Erlösung des Jüdischen Volcks der frommen Weiber wegen kommen soll, so sollen sie nicht wie die Christinnen gekleidet seyn. Daher kommt es nun, daß die gegenwärtige Verordnungen, von mancherley Kleidern der Weiber reden, die unter den Christen unbekannt sind. [...]

[S. 155]

§14. Es sollen inskünftige die Weiber und Jungfrauen keine Kleider von Sammet / Drapd’or, mit einer Bordour, oder mit Blumen von Gold oder Silber / entweder gewürckt oder gestückt / tragen. Von denen die es schon haben / ist nur den Weibern erlaubt nach §13. Denen Jungfrauen aber wann ihr Bruder oder Schwester Hochzeit hält. Neu dürfen sie es nicht machen lassen / desgleichen dürfen sie es nicht kauffen.

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[S. 156]

§ 17. Weibern und Jungfrauen sind zu tragen verbotten Perlein oder Kartelsteine oder ander Gehänge / auch Hand oder Leibschnallen. Von guten Steinen / ingleichen guldene Ketten oder guldene Gürtel / die mit Diamanten besetzt sind. Inskünftige sollen sie nicht dergleichen machen lassen / denen aber / die es schon haben / ist es nur an den Tagen erlaubt die § 13. sind gedacht worden.

[…]

§ 18. Ringe sind den Weibern erlaubt / aber nicht den Jungfrauen/ Ohrengehänge sind beyden erlaubet / doch sollen sie nicht mehr als 50. Rthl. kosten. Wann aber eine Braut von dem Bräutigam etwas kostbares erhalten / so mag sie es / biß zur Hochzeit tragen.

[…]

[S. 157]

§ 20. Einen Gürtel von Gold soll man nicht tragen / obschon keine gute Steine daran sind. Auch die Gürtel von Silber sind verbotten / so wohl denen Weibern als Jungfrauen; aber die ledernen Gürtel / die mit Silber beschlagen sind / sind erlaubt / damit man an heiligen Sabbath einer silbernen Schlüssel daran hängen könne.[13] Denen aber / die dergleichen von den obigen haben, ist es nach §. 13. erlaubt.

[…]

§. 21. Ein Weib oder Jungfrau / soll keinen Fleck oder Halßtuch mit weisen Spitzen tragen / denen / die dergleichen schon haben / [S. 158] ist es nur nach §. 13. erlaubt / inskünftige aber sollen sie die Spitzen nicht theurer kauffen / als die Eln für 1. fl. [Florin]

§. 22. Inskünftige sollen Männer und Weiber / Jünglinge und Jungfrauen kein Kleid / wenn es auch zu einem Festtag bestimmt ist / machen lassen / mit Silber oder Gold verbremet. Dergleichen sollen / die Männer und Jünglinge / keine Knöpfe von Gold oder Silberfaden; oder von Seidi [sic!] und Silber und Gold untermenget / tragen. Denen aber / die dergleichen schon haben / sind solche Kleider erlaubet / biß sie veralten. Dieses bey hoher Strafe.

§. 23. Den Weibern und Jungfrauen sind gestickte Handschue von Pelz verbotten; Wann aber das gestickte nur 2. Finger breit ist / so ists erlaubt.

§. 24. Am heiligen Sabbath sind gestickte Halßtücher von Gold oder Silber biß auf 2. fl. werth / am Fest biß auf 3. Gulden werth erlaubt. Aber an den mitlern Tägen des Festes / Neumonden und Werketagen / ist verbotten / ein gesticktes Halßtuch zu tragen.

[…]

Bibliographie

Andreas WÜRFEL, Historische Nachricht von der Judengemeinde in dem Hofmarkt Fürth unterhalb Nürnberg / In zween Theilen […] Der II. Theil liefert Das TEKUNNOS Büchlein Der Fürther Juden d.i. Der Juden Aeltesten daselbst ertheilte Instructiones, wie sich ihre Bürger bey ihren freywilligen und gebottenen Mahlzeiten, Gürtelgeben, Hochzeitsmahlen, Schenkwein, Brautgeschenken, Kleidung und in anderen Vorfallenheiten verhalten sollen und wie viel sie Unkosten aufwenden dürfen, In das Teutsche übersetzt und mit Anmerkungen erläutert. Frankfurt und Prag, 1754, S. 147-159. Original: http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/urn/urn:nbn:de:hebis:30-180011386029

Anmerkungen

  1. (Auch: Kamisol), Kleidungsstück des 16.-18. Jahrhunderts; meist ein enges Oberteil eines Kleides bei Frauen oder eine Art Weste für Männer.
  2. Ein Goldstoff, oft mit eingewebten Blumen aus Seide auf goldenem Grund.
  3. Brokat (Brogad), ein schwerer gemusterter Seidenstoff mit eingewobenen Gold- oder Silberfäden.
  4. Bedeutendste Schrift des Judentums nach der hebräischen Bibel (im christlichen Sprachgebrauch das Alte Testament). Der Talmud enthält die mündliche Gesetzesüberlieferung des Judentums, die Mischna, die im 2. Jahrhundert n.Chr. kodifiziert wurde. Die Gemara enthält Kommentare und Analysen zur Mischna aus dem 5. bis 8. Jahrhundert und spätere Kommentare. Es gibt eine Babylonische und eine Jerusalemer Version, wobei der Babylonische Talmud der wichtigere ist.
  5. Mit »Schulmantel« ist hier der Mantel für den Synagogenbesuch gemeint.
  6. Contouche, vorherrschende Kleidform des 18. Jahrhunderts, mit großen Rückenfalten.
  7. Chagrin (auch: Chagrintaffent), leichter Seidenstoff, der sich rau anfühlt und vor allem als Unterfutter für Sommerkleider genutzt wurde.
  8. Gemeint ist die Synagoge.
  9. Jiddisch (Hebräisch: tallit), Gebetsschal.
  10. Gemeint ist wohl ein Brasiltabak, ein spezieller dunkler Schnupftabak aus Brasilien.
  11. Sterntüchel oder Jiddisch shterntikhl, reicht verzierte Kopfbedeckung für Frauen.
  12. Rabbi Tzvi HIRSCH KAIDANOVER, Kav Ha-Yashar – The Just Measure, hg. u. übersetzt v. Avrohom DAVIS, New York 2007. Das Werk von Rabbi Tzvi Hirsch Kaidanover ist eines der populärsten Werke jüdischer Moralliteratur und wurde zuerst 1705 veröffentlicht.
  13. Da das Tragen von Gegenständen am Schabbat nach rabbinischer Auslegung verboten ist, wurden Schlüssel oft an den Gürtel gehängt und galten somit als Teil der Kleidung.