Essay zu Religion und Politik im Osmanischen Reich

Aus Konjunkturen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Denise Klein

Religion und Politik im Osmanischen Reich: Grundlinien vom 16. bis 18. Jahrhundert


Einleitung

Wie andere Imperien zeichnete sich das Osmanische Reich durch eine beträchtliche geographische Ausdehnung und eine außergewöhnliche Heterogenität im Inneren aus. Der Herrschaftsbereich des seit 1453 in Istanbul residierenden Sultans erstreckte sich über drei Kontinente – Europa, Asien und Afrika – und schloss Bevölkerungen unterschiedlichster religiöser, ethnischer und kultureller Zugehörigkeiten ein. Wie kaum anders zu erwarten, wandelten sich im Verlauf der mehr als sechs Jahrhunderte andauernden osmanischen Herrschaft sowohl die Formen von Differenz als auch der Umgang mit als different wahrgenommenen Gruppen innerhalb der Gesellschaft und von Seiten des osmanischen Staates.

Die traditionelle Geschichtsschreibung zum Osmanischen Reich räumt Religion einen zentralen Stellenwert im dynamischen Zusammenspiel von gelebter Differenz und Politik ein. Die Sultansherrschaft wird, in Abgrenzung zu den zeitgenössischen christlichen Reichen in Europa und dem schiitisch-islamischen Iran, primär als sunnitisch-islamisch charakterisiert. In Beschreibungen der osmanischen Gesellschaft wird insbesondere deren religiöse Vielfalt und die ungleiche Politik gegenüber den verschiedenen Religionsgemeinschaften hervorgehoben.

Diese Sichtweise ist in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten. Einerseits tendiert sie dazu, Verzerrungen in den Quellen fortzuschreiben, insbesondere die Wahrnehmungsweisen europäischer Reisender der Frühneuzeit, die das Neben- und Miteinander unterschiedlicher Religionen, das sie im Osmanischen Reich antrafen, nicht gewohnt waren und in ihren Berichten besonders herausstrichen. Andererseits dient die Betonung von Religion als Marker gesellschaftlicher Differenz und handlungsleitendes Kriterium osmanischer Politik nationalistisch motivierten oder zumindest ideologisch belasteten Darstellungen osmanischer Geschichte. Die beiden konkurrierenden Narrative in diesem Zusammenhang lassen sich als »Erzählung vom türkischen Joch« und »Erzählung von der Pax Ottomanica« beschreiben.

Die »Erzählung vom türkischen Joch« ist vorzugsweise bei Historikern anzutreffen, die über die Geschichte Südosteuropas forschen. Grob gesagt, schreibt sie die Nationalgeschichten fort, die im Zuge der Auflösung osmanischer Herrschaft und der Entstehung von Nationalstaaten auf der Balkanhalbinsel im Verlauf des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entstanden sind. Diese Historiographie orientiert sich an ethnisch-religiös definierten Nationen und konstruiert binäre Identitäten des Eigenen und Fremden: Die unterdrückten Balkanchristen stehen den muslimisch-türkischen Unterdrückern gegenüber. Die Komplexität der osmanischen Herrschaft in Südosteuropa, insbesondere die prominente Rolle der lokalen Eliten bei der Herrschaftsausübung, und die zahlreichen Übernahmen und Symbiosen, zu denen es über die Jahrhunderte des Zusammenlebens kam, werden gezielt unterschlagen.[1]

Die »Erzählung von der Pax Ottomanica« wird vorwiegend von Historikern vertreten, die mit osmanisch-sprachigem Quellenmaterial arbeiten. Sie erfährt im Rahmen des »Neo-Osmanismus«, der ideologisch motivierten Wiederbelebung des osmanischen Erbes in der Türkei der letzten Jahre, aktuell eine neue Blüte. Das Osmanische Reich wird darin als Oase der Toleranz beschrieben, die erst durch den aufkommenden Nationalismus und westlichen Imperialismus des 19. Jahrhunderts zerstört wurde. Zwar genossen religiöse Minderheiten unter der Herrschaft des Sultans in der Tat weitaus größere Freiheiten und Schutz als im zeitgenössischen christlichen Europa. Nichtsdestotrotz suggeriert diese Darstellung einen modernen Gleichheitsgrundsatz und verschleiert, dass Toleranz im osmanischen Kontext auf einer angenommenen Ungleichheit von Menschen gründete und jeweils das Ergebnis sich wandelnder imperialer Herrschaftspraktiken war. Zudem neigen Vertreter dieser Sichtweise dazu, den hegemonialen Charakter osmanischer Herrschaft sowie Unterdrückung und Gewalt von Seiten des Staates zu unterschlagen.[2]

Während diese beiden Narrative weiterhin von einigen Akteuren stark gemacht werden und die öffentliche Wahrnehmung des Osmanischen Reiches in den Nachfolgestaaten und darüber hinaus dominieren, distanziert sich die Forschung immer dezidierter von derartig einseitigen ideologisierenden Erzählungen und betont stattdessen die Komplexität und Dynamik im Verhältnis von Religion und Politik. Neuere Untersuchungen unterstreichen den Pragmatismus osmanischer Herrschaftspraktiken und zeigen, dass sich der sunnitische Charakter des Reiches erst schrittweise, in Abgrenzungsprozessen gegenüber religiösen Strömungen innerhalb und politischen Entwicklungen außerhalb des osmanischen Herrschaftsgebiets herausbildete und von zeitgenössischen Akteuren immer wieder in Frage gestellt wurde.[3] Im Rahmen des aufkeimenden Interesses an individuellen und kollektiven osmanischen Identitäts- und Alteritätskonstruktionen wird Religion mehr und mehr als eine von verschiedenen, kontextabhängigen Zugehörigkeiten begriffen und vor dem Hintergrund sich wandelnder politisch-gesellschaftlicher Gegebenheiten beschrieben.[4]

Ziel dieses Essays ist es, anhand einer Betrachtung der vier ausgewählten Quellen in diese neueren Forschungsdiskussionen einzuführen und das Spannungsfeld von Religion und Politik im Osmanischen Reich des 16. bis 18. Jahrhunderts in doppelter Perspektive aus Denken und Handeln zu reflektieren. Konkret erfolgt dies in einem Dreischritt: von Vorstellungen über Religion und Politik (Quelle 1) über die Kennzeichnung religiöser Differenz (Quelle 2) zum Aushandeln von Zugehörigkeit und alltäglichen Praktiken im Umgang mit Differenz in einer multireligiösen Gesellschaft (Quellen 3 und 4). Dabei sollen vor allem zwei Dinge deutlich werden. Erstens: Das osmanische Weltbild dieser Zeit war religiös fundiert, weshalb Religion in dem diskursiven Feld, in dem Machtverhältnisse ausgehandelt und legitimiert wurden, den Referenzrahmen bildete. Zweitens: In der sozialen Praxis wirkte Religion in einem komplexen Geflecht unterschiedlicher Differenzen und Zugehörigkeiten, die je nach Kontext und Akteuren aktiviert und handlungsleitend wurden.

Die Epoche zwischen der Mitte des 16. und dem Ende des 18. Jahrhunderts zeichnet sich durch einen besonderen Umgang mit Differenz aus; nicht zuletzt, weil Religion eine andere Rolle in Politik und Gesellschaft spielte als in der vorausgehenden Phase der raschen Expansion des Reiches und im sich anschließenden Reformzeitalter. Istanbul steht im Fokus der Diskussion, weil die Stadt das politische und intellektuelle Zentrum des Reiches und die Stadtgesellschaft Spiegel der vielen verschiedenen, unter der Herrschaft des Sultans lebenden, Bevölkerungen war. Außerdem ist der Quellenbestand hier besonders reich und ein sekundäres Anliegen des Beitrags ist es, anhand der ausgewählten vier Quellen in wesentliche Quellengattungen und -bestände für die Erforschung osmanischer Geschichte einzuführen.


Religion und politisches Denken: Die göttliche Ordnung

Die religiöse Fundierung des osmanischen Weltbilds offenbart sich in einer Vielzahl von Quellen, von normativen Texten wie Gesetzessammlungen bis hin zu Poesie und Architektur. Zwischen der Mitte des 16. und 18. Jahrhunderts erlebten Abhandlungen über moralisches Verhalten und gute Regierungsführung eine besondere Blüte. Als eine Art osmanischer Fürstenspiegel in Weiterführung iranischer und islamischer Traditionen griffen diese nasihatname-Schriften einerseits tradierte Vorstellungen und literarische Motive auf. Andererseits sind sie Spiegel zeitgenössischer Diskurse der hauptstädtischen Elite über Politik und Moral in Zeiten eines tiefgreifenden politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels. Zudem sind die Traktate Ausdruck von Konkurrenzen und Machtkämpfen innerhalb der sich wandelnden Elite des Reiches. In jedem Fall sind die Texte nicht, wie lange angenommen, ein eins-zu-eins Abbild gesellschaftlicher Realitäten und Zeugnis eines vermeintlichen Verfalls des Reiches, wie ihn die ältere Historiographie in einer Logik von Aufstieg-Blütezeit-Niedergang postulierte.[5]

Die Grundlagen von Herrschaft. Über die Weltordnung des Ḥasan Kāfī Aḳḥiṣārī (1544–1616) ist ein prominentes Beispiel der nasihatname-Gattung und eines der wichtigsten Werke der osmanischen politischen Literatur. Der Verfasser war Gelehrter und Richter mittleren Ranges aus Bosnien, der auch Abhandlungen über islamisches Recht, Theologie, Logik und Sprachwissenschaft hinterließ. Eine erste arabische Version seines berühmten politischen Traktats fertigte er 1596 während eines Ungarn-Feldzugs an und legte sie hohen osmanischen Würdenträgern vor; eine annotierte osmanische Übersetzung folgte im Jahr darauf. Der Text ist in zahlreichen Abschriften überliefert, wurde oft zitiert und früh gedruckt.[6]

Das Traktat lässt sich in sechs Abschnitte gliedern: eine Einleitung, vier Kapitel und einen Schlussteil. In der Einleitung (Quelle 1) preist der Autor den herrschenden Sultan Mehmed III (1596–1603) und erläutert, wie es zum Abfassen der »Abhandlung über die Weltordnung« kam und was er mit seinem Text erreichen möchte: Er möge dem Sultan und der politischen Elite des Staates als Ratgeber dienen, um die gottgegebene Ordnung wiederherzustellen, die in jüngster Vergangenheit ins Wanken geraten sei. Es folgt eine Erläuterung der Grundpfeiler dieser Ordnung und eine Auflistung der vier Ursachen, die der Autor dank einer göttlichen Eingebung (ilhâm) für die aktuell kritische Lage ausmachen konnte.

Die vier Kapitel führen diese Gründe genauer aus, die sich so oder ähnlich in vielen nasihatname-Schriften finden. Unterlegt ist die Argumentation mit Zitaten aus Koran und Hadis – den überlieferten Taten und Worten des Propheten Muhammad – sowie Beispielen aus der Literatur und der vorislamischen und islamischen Geschichte. Das erste Kapitel erinnert an die zentrale Bedeutung von Gerechtigkeit sowohl für die Zusicherung der Unterstützung Gottes als auch für die Herrschaftssicherung und moniert, dass immer häufiger Gesetze missachtet und Pflichten vernachlässigt würden. Zweitens ruft der Text den Sultan und seine Wesire dazu auf, endlich wieder den Worten gelehrter Männer – gemeint ist damit natürlich auch der Autor selbst – Aufmerksamkeit zu schenken und ihre Ratschläge zu befolgen. Das dritte Kapitel befasst sich mit Achtlosigkeiten bei der Kriegführung, vom Waffengebrauch über die Musterung bis hin zur Motivation. Schließlich wendet sich der Autor gegen herrschendes Unrecht (zulm) wie die Unterdrückung der steuerzahlenden Untertanen, schlechte Neuerungen (bid’at) wie das Kaffeehaus, und den moralischen Verfall wie die um sich greifende Gier, die er gemeinsam für das Ausbleiben von Gottes Hilfe und militärische Niederlagen verantwortlich macht. Das Traktat endet mit dem erneuten Aufruf, die dort formulierten Ratschläge zur Wiederherstellung der Ordnung umzusetzen, gefolgt von einem Gebet und dem Kolophon, also einer Nachschrift mit Angaben zu Verfasser, Datum der Abfassung und guten Wünschen.

In der einleitenden Darstellung Akhisarîs spiegelt sich eine Grundüberzeugung der wahrscheinlich meisten Osmanen seiner Zeit: Gott der Allmächtige erschuf nicht nur Himmel, Erde und alles Leben dort, er sah auch eine bestimmte Ordnung für das Zusammenleben der Menschen vor. Im Diesseits lebten die Menschen, so Akhisarî zur Begründung, in komplexen und mitunter konfliktbehafteten sozialen Beziehungen, weshalb sie einer »Form und Regulierung bedürften« (üslûp ve ka’ideye ihtiyâc).[7] Mit Gottes Hilfe hätten gelehrte Männer die Menschheit deswegen in vier Gruppen eingeteilt. Die Vorstellung von vier hierarchisch angeordneten Klassen, oft bezeichnet als »vier Säulen« (erkân-i erba’a), geht auf iranische Traditionen zurück und wird in zahlreichen osmanischen Texten beschrieben. Laut Akhisarî bildeten jene Männer, die zum Dienst mit dem Schwert berufen waren, die höchste soziale Klasse. Anders als andere Autoren, die den Sultan außerhalb des Systems stellen, sieht Akhisarî ihn als Teil dieser Klasse der Wesire, Verwalter, Befehlshaber und Soldaten. Ihnen oblag es, alle vier gesellschaftlichen Gruppen unter Kontrolle zu halten (zabt), den Staat zu lenken (siyaset), Gerechtigkeit zu üben (adalet) und gegen die Feinde in den Krieg zu ziehen. Die zweite Klasse sei zum Dienst mit dem Stift berufen. Die Männer der Religion und des Wissens müssten Ratschläge erteilen, Herrschern wie auch Beherrschten die Gebote und Verbote Gottes aufzeigen, sein Gesetz anwenden, die Religion lehren und die Menschen im Glauben anleiten. Und sie müssten beten, für das Wohl des Herrschers und des Volkes. Die dritte Klasse sei zur Landwirtschaft und Viehzucht bestimmt, die vierte Klasse zu Handwerk und Handel.[8]

Diese »Weltordnung« (nizâm-i âlem), wie die Osmanen sie nannten und wie sie im Titel des Werks und im Text mehrfach auftaucht, galt es zu bewahren. Dafür war in erster Linie der Herrscher zuständig, den Gott als seinen Schatten auf Erden – daher der Sultanstitel »Schatten Gottes« (zıllullah) – auswählte, einsetzte und mit Macht und Wissen ausstattete. Das Gesetz Gottes, die Scharia, war Basis und Leitfaden jeder gottgefälligen Herrschaft. Wie Akhisarî betonen die meisten zeitgenössischen Autoren, dass Gerechtigkeit (adalet), also die Absenz von Unrecht (zulm), wichtige Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Weltordnung, für Friede und Wohlstand sei. Deswegen spielte Gerechtigkeit auch in der Legitimation von Herrschaft und dem Infragestellen dessen eine Schlüsselrolle. Erst Gerechtigkeit ermögliche das reibungslose Ineinandergreifen der einzelnen Teile des Systems, erst so schließe sich der Kreis, den die Osmanen »Kreis der Gerechtigkeit« (dâire-i adliyye) nannten und mit dem sie die gegenseitige Abhängigkeit beziehungsweise das harmonische Zusammenwirken der gesellschaftlichen Gruppen zu aller Vorteil beschrieben. Vereinfacht gesagt, drückt sich in der Kreismetapher folgende Idee aus: Um die Ordnung zu garantieren und Gerechtigkeit zu üben, braucht ein Herrscher Soldaten. Soldaten kosten Geld. Geld erwirtschaften die Untertanen. Um Wohlstand zu schaffen, bedürfen die Untertanen Gerechtigkeit, also Gesetze und Schutz. Und damit schließt sich der Kreis.[9]

Die osmanische Idee der Weltordnung und ihrer Umsetzung in der Praxis beschreibt Differenz als Gott gegeben und weist jedem Einzelnen einen konkreten Platz in der Gesellschaft zu. Akhisarî betont, dass niemand außerhalb dieses Systems stehen dürfe oder anfangen dürfe, plötzlich die Arbeit einer anderen als die seiner eigenen Gruppe auszuüben. Wenn sich etwa Bauern als Soldaten versuchten oder eingezogen würden anstatt ihre Äcker zu bebauen und Steuern zu zahlen, sei das Gleichgewicht gestört und das Wohlergehen des Staates gefährdet. In einer solchen, strikt nach Aufgaben gegliederten Gesellschaft, bliebe eigentlich kein Raum für soziale Mobilität. Dabei war diese soziale Mobilität Realität, gerade in der Zeit, als die nasihatname-Autoren ihre Idealvorstellungen fixer sozialer Klassen formulierten. Tatsächlich war es gerade dieses Aufweichen sozialer Grenzen und das Eindringen von Männern aus dem Volk in die Elite, kurz, der gesellschaftliche Wandel seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der Mitglieder der alten Elite wie Akhisarî dazu bewog, ihre politisch-moralischen Vorstellungen zu formulieren. Hinter ihrer vehementen Kritik an Aufsteigern und Migranten stand ganz wesentlich die Konkurrenz um die eigenen Privilegien und die Notwendigkeit, soziale Differenz und Zugehörigkeit neu auszuhandeln. Diese persönliche Betroffenheit der nasihatname-Autoren war demnach wichtiger Beweggrund für ihren oft artikulierten Aufruf an den Herrscher – ein wichtiger Adressat ihrer Schriften – »er solle dafür sorgen, dass jede Klasse bei ihrer Arbeit bleibt« (her sınıf ehlini kendü ‘amelinde sâbit ve ka’im eyleye).[10]


Religion und Politik im Blick: Kleidung als äußeres Zeichen von Differenz

Damit sich die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen nicht leicht vermischten, galt es, sie unterscheidbar zu machen. Wie in den meisten frühneuzeitlichen Staaten waren Kleidung und Körperschmuck auch im Osmanischen Reich wichtige äußere Zeichen für die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe. Europäische Reisende schrieben mit Vorliebe über die unterschiedlichen Bewohner des Reiches und ihre verschiedenartigen Kleidungsstile. Immer häufiger erworben sie auch Abbildungen der ihnen mitunter fremd erscheinenden Menschen, was im 17. Jahrhundert zur Herausbildung eines eigenen Markts für osmanische Kostümbücher führte.[11] Kleinformatige Bilder und Zeichnungen von Figuren und Szenen sowie deren Zusammenstellung in Alben waren typische Kunstformen im Osmanischen Reich und der islamischen Welt – bereits bevor diese Büchlein als Sammlerstück, Geschenk oder gern gesehenes Mitbringsel für europäische Orientreisende in Mode kamen. Die Miniatur-Alben dienten der Unterhaltung und wohl auch der Veranschaulichung von Geschichten, die am Hof, in den literarischen Salons der Eliten, in den Kaffeehäusern oder auf dem Bazar vorgetragen wurden.

Das Rålamb Kostümalbum (Quelle 2) ist ein anonymes Kostümalbum aus dem 17. Jahrhundert, das vom schwedischen Gesandten an der Hohen Pforte Claes Rålamb 1657–58 in Istanbul erworben wurde. Ob es wie viele solcher Alben von einem lokalen Bazar-Künstler oder einem Europäer nach dem Vorbild osmanischer Miniaturmaler angefertigt wurde, ist nicht abschließend zu klären. Das Album enthält 121 Miniaturen, die verschiedene, namentlich bezeichnete osmanische Amtsträger und Bevölkerungsgruppen in ihrer typischen Kleidung zeigen.[12] Wie für Kostümalben von Basarkünstlern typisch, zeigt das Rålamb Album die Figuren meist vor weißem Hintergrund und losgelöst von ihrem sozialen Kontext. Die Abbildungen beschreiben weniger Individuen als Prototypen gesellschaftlicher Gruppen. Diese stereotype Beschreibung half dem Betrachter, die soziale Struktur der osmanischen Gesellschaft aufzuschlüsseln und das Gegenüber darin zu verorten, um ihm dann seiner sozialen Stellung entsprechend zu begegnen.

Die Miniaturen im Rålamb Kostümalbum geben einen Überblick über die wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen und die Äußerlichkeiten, die diese visuell voneinander abgrenzten. Kopfbedeckungen spielten dabei seit der osmanischen Frühzeit eine besondere Rolle. So ließ sich an Turban, Kappe oder Filz eines Mannes nicht nur erkennen, ob er Mitglied der steuerbefreiten Elite oder steuerzahlender Untertan war. Form und Farbe seiner Kopfbedeckung zeigten im ersten Fall, ob er Mitglied der militärischen, religiösen oder administrativen Elite war, welcher Einheit er angehörte und welchen Rang er dort einnahm, und im zweiten Fall, ob er Muslim, Christ oder Jude war und oft auch aus welcher Region er kam und welcher sozialen Schicht und Berufsgruppe er angehörte. Status und Ehre nahm ein osmanischer Mann auch gerne mit ins Grab; eine Steinvariante seiner Kopfbedeckung zierte üblicherweise seinen Grabstein.[13]

Mitglieder der osmanischen Elitetruppe der Janitscharen beispielsweise trugen weiße, über den Nacken bis auf den Rücken reichende Filzhauben (keçe) (Abb. 67, 75). Je nach Rang und Anlass waren die Hauben unterschiedlich gestaltet und mit Federn verziert. Zudem gab es regionale Verschiedenheiten, wie die rötliche und etwas anders geformte Kopfbedeckung von Janitscharen aus der Provinz Ägypten zeigt (Abb. 69). Unter den edel gekleideten Turbanträgern, die im Rålamb Album abgebildet sind, finden sich der höchste Richter des Reiches (Abb. 132) und der ihm im Rang folgende oberste Heeresrichter der europäischen Provinzen (Abb. 77); beide sind aufgrund der Form ihres gewickelten Kopfschmucks klar der religiösen Elite zuordnen. Die grüne Farbe eines Turbans zeigt an, dass es sich bei dessen Träger um einen Nachkommen des Propheten Muhammads handelt, wenn nicht gar um den Vorsteher dieser hoch geehrten Gemeinschaft der Scherifen und Seyyids (Abb. 40).

Deutlich einfacher gestaltete Turbane aus weißem Stoff, oft um eine rote Kappe gewunden, trugen die meisten muslimischen Stadtbewohner; so ein Barbier (Abb. 14), ein Eier- oder Käseverkäufer (Abb. 19) und ein »Istanbuler« (Abb. 39). Letzterer hat noch keinen Bartwuchs, trägt einen mit Pelz gefütterten Kaftan, ein Buch im Gürtel und schwingt den, womöglich mit Parfüm getränkten, Bommel seines Mantels. Diese körperlichen Merkmale, Kleidung, Accessoires und Haltung demaskieren ihn als »Stadtjungen« (şehir oğlanı); so nannten zeitgenössische Autoren die seit dem 17. Jahrhundert vermehrt anzutreffende Gruppe jugendlicher Müßiggänger, die aus gebildeten und wohlhabenden Verhältnissen stammten und ihre Zeit in literarischen Salons und Kaffeehäusern verbrachten. Vor ihren Reizen solle man sich in Acht nehmen, hieß es.[14]

Nicht-muslimische Istanbuler trugen meist ähnliche Kleidung, Bart und oft auch einen Turban, so etwa Armenier aus der Mittelschicht (Abb. 20, 80). Jedoch war ihr Turban weder weiß noch grün, das Tragen dieser beiden Farben war Muslimen vorbehalten. Differenzierungen innerhalb der Religionsgemeinschaften drückten sich ebenfalls in unterschiedlichem Kopfschmuck und Kleidung aus, etwa bei islamischen Mystikern, Sufis. Die ockerfarbene hohe Filzmütze identifizierte Mitglieder der im Osmanischen Reich weit verbreiteten Mevlevi-Bruderschaft, die aufgrund ihrer speziellen Form des zikr, des Gedenkens Gottes, auch als »tanzende Derwische« bekannt sind (Abb. 133). Ein Qalandar-Derwisch hingegen war meist einfach bekleidet, trug Ohrring und war ausgestattet mit der für Wander-Derwische typischen Bettelschale und dem Blashorn, mit dem er von seiner Ankunft kündete (Abb. 134).[15]

Die Kleidung der im Rålamb Kostümalbum abgebildeten Frauen zeugt in ähnlicher Weise von ihrer gesellschaftlichen Rolle und ihrem sozialen Stand, ihrer Religion, ihrem Alter und der Situation, in der ein Kleidungsstück getragen wurde. Lange Pluderhosen (şalvar), ein weites Mantelkleid (entâri), ein locker fallender Übermantel für außer Haus (ferâce) und ein Schleier waren die Grundausstattung einer osmanischen Frau aus der Hauptstadt. Für besondere Anlässe, wie die Hochzeit (Abb. 70), gab es natürlich besondere Kleidung. Und selbstverständlich kleideten sich die Bewohnerinnen der osmanischen Hauptstadt zu Hause anders als wenn sie zum Einkaufen gingen oder sich für den Hammam-Besuch oder einen Ausflug ins Grüne zurechtmachten. Zum Beispiel trugen Istanbuler Jüdinnen im 18. Jahrhundert auf der Straße meist türkische Mode in gedeckten Tönen, während sie zu Hause Kleidung in bunteren Farben bevorzugten.[16]

Insgesamt unterschied sich das äußere Erscheinungsbild einer erwachsenen Muslima aus gehobenen Verhältnissen (Abb. 6, 8) deutlich weniger von dem ihrer griechischen (Abb. 56, 76), armenischen (Abb. 21, 71) oder jüdischen (Abb. 72, 73) Altersgenossinnen aus vergleichbarem Haus als von dem einer Muslima aus dem Iran (Abb. 99) oder dem eines unverheirateten muslimischen Mädchens aus Istanbul (Abb. 7), deren Äußeres wiederum der eines griechischen Mädchens aus der Hauptstadt (Abb. 55) ähnelte. Kleidung war durch äußere Vorgaben beschränkt und bestimmten Traditionen und Gewohnheiten verpflichtet; sie war aber immer auch abhängig von aktuellen Moden und persönlichen Vorlieben. Sowohl die unterschiedlichen Kappen unter den Schleiern der Istanbuler Frauen als auch der Gesichtsschleier (yaşmak) der abgebildeten Griechinnen scheinen solche Modeerscheinungen gewesen zu sein.


Differenz verhandeln: Kleiderordnungen und ihre (Nicht-)Befolgung

Kleidung und Körperschmuck beschrieben nicht nur Differenz und Zugehörigkeit, sie waren auch Objekt sowohl sozialer Kontrolle als auch staatlicher Regulierung. Die Bewohner des Reiches waren je nach geschlechtlicher, sozialer und religiöser Zugehörigkeit genötigt, bestimmte Kopfbedeckungen, Kleidungsstücke, Stoffe, Farben oder Accessoires zu tragen oder zu vermeiden. Die visuelle Ordnung sollte dabei die soziale Ordnung widerspiegeln, insbesondere die Höherstellung der Elite gegenüber den steuerzahlenden Untertanen und die Überlegenheit der Muslime gegenüber den Nicht-Muslimen. Letzteren Gruppen waren deswegen wertvolle Stoffe und Luxusgüter sowie bestimmte soziale Praktiken verboten.

Ein Beispiel für die staatlich verordnete Visualisierung und Hierarchisierung religiöser Differenz ist ein von Sultan Murad IV (1623–1640) im Jahr 1631 erlassenes Befehlsschreiben, ein ferman, der sich mit dem öffentlichen Erscheinungsbild nicht-muslimischer Männer und Frauen beschäftigt (Quelle 3). Darin werden das Tragen von Zobelfell und das Reiten auf Pferden sowie andere Grenzüberschreitungen der Kleiderordnung durch Christen und Juden beklagt, von denen einige »mehr Prunk und Pracht besitzen als die Muslime« (ehl-i İslâm’dan ziyâde şevket sâhıbleri). An die zuständige staatliche Stelle erging der Befehl, diesen Praktiken ein Ende zu bereiten. Der Istanbuler Richter habe dafür Sorge zu tragen, dass Nicht-Muslime in Zukunft durch ihre Kleidung und ihr Auftreten gedemütigt (tonda ve libâsda ve tarz [ü] üslûbda tahkîr u tezlîl eyle) und ihre Unterlegenheit gegenüber den Muslimen zum Ausdruck gebracht würde.[17]

Nichtsdestotrotz ergaben sich bei der Umsetzung solcher Vorschriften in der Praxis immer kleinere oder größere Spielräume, je nach politischer Lage, sozialem Umfeld und persönlichen Umständen. Kleidung bot ihrem Träger oder ihrer Trägerin die Möglichkeit, sich auszudrücken und wurde dementsprechend eingesetzt. Dies war insbesondere dann von Bedeutung, wenn die von außen zugeschriebene Identität nicht mit der selbst wahrgenommenen oder gewünschten Gruppenzugehörigkeit identisch war. Dabei ließen sich anhand von Kleidung nicht nur ethnisch-kulturelle Aspekte der eigenen Identität und die Verortung der eigenen Person innerhalb der Gesellschaft betonen. Kleidung konnte einen Wechsel der Identität und Gruppenzugehörigkeit anzeigen, insbesondere beim Religionsübertritt. Konvertiten zum Islam erhielten neben einem neuen Namen üblicherweise Kleiderspenden und ein Ehrenkleid, was ihre neue religiöse Identität und ihren veränderten sozialen Status für alle ersichtlich machte. Nicht wenige schrieben Petitionen an die Hohe Pforte, mit der Bitte um finanzielle Unterstützung – das sogenannte »Kleidergeld« (kisve bahası) – für den Erwerb ihrer neuen, muslimischen, Kleidung. Auch bei vorgetäuschten Religionsübertritten spielte Kleidung mitunter eine Rolle, etwa bei Neo-Märtyrern, die nicht eine neue Religion, sondern im Gegenteil die Überlegenheit ihrer eigenen Religion und ihre persönliche Glaubensfestigkeit durch den eigenen Tod zu illustrieren suchten. Sie waren ein nicht seltenes Phänomen auf dem osmanischen Balkan und eines der wenigen Mittel der orthodoxen Kirche, der Islamisierung, die trotz der insgesamt eher zurückhaltend bis ablehnenden Haltung der staatlichen Autoritäten voranschritt, entgegenzutreten. Einige dieser christlichen Eiferer unterstrichen ihren strategischen Übertritt zum Islam mit dem Anlegen muslimischer Kleidung, nur um anschließend der neuen Religion abzuschwören, ihre äußeren Zeichen zu verwerfen und dafür mit dem Märtyrertod bestraft zu werden.[18]

Durch Kleidung ließ sich in verschiedener Weise und in unterschiedlicher Absicht die eigene Identität verschleiern. Es gibt zahlreiche Berichte über Sultane, die als »normale« Osmanen durch die Straßen Istanbuls wandelten, um sich ein Bild über den Zustand ihres Landes zu machen. Sultan Osman III (1754–1757) ging es dabei sogar vorwiegend darum zu überprüfen, ob seine Untertanen sich an die Kleiderordnungen hielten.[19] Dutzende von Befehlsschreiben befassen sich mit Osmanen, die sich verkleideten, um unentdeckt Untaten zu begehen. So trieben 1630/31 im Istanbuler Umland in Janitscharenuniform getarnte Straßenräuber ihr Unwesen.[20] Im Istanbul des 17. Jahrhunderts unterhielten Geschichtenerzähler ihr Publikum auch gerne mit Abenteuergeschichten von jungen Männern aus der urbanen Mittelklasse, die von ihrem Umfeld abgelehnt wurden und sich deshalb als Derwische verkleideten, um mit ihren Geliebten aus der Stadt zu flüchten.[21]

Vor allem ließ sich durch Kleidung jedoch die Zugehörigkeit zu einer sozial höher angesehenen Gruppe suggerieren, was neben einer veränderten Wahrnehmung durch andere auch eine veränderte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben versprach. Ein dahingehender Wandel osmanischer Kleidungspraktiken lässt sich gerade im frühen 18. Jahrhundert feststellen, als sich durch politische Stabilität, ökonomische Prosperität und gesellschaftlichen Wandel eine neue Öffentlichkeit und urbane Kultur herausbildete, die Freizeit und Konsum feierte und sich das extravagante Leben und Feiern am Hof zum Vorbild nahm.[22] Immer mehr Händler und Handwerker kleideten sich wie Mitglieder der urbanen Elite und immer mehr Nicht-Muslime ignorierten die ihnen vorgeschriebenen Farben und Stoffe, und frönten offen und für alle ersichtlich dem Luxus. Für noch größeres Aufsehen sorgte, dass die osmanischen Frauen neuen Moden nachhingen. Viele Zeitgenossen goutierten weder den Trend hin zu figurbetonten Übermänteln aus weichfallenden Stoffen noch den zu transparenten Gesichtsschleiern aus feinem Musselin. Auch erregten sie sich über die extravaganten Stoffe und Pelze sowie den vielen Schmuck gemeiner Istanbulerinnen, die den Damen der Oberschicht nacheiferten. Mit dem Anlegen neuer Kleidung kam es zudem zur Ausbildung und Übernahme neuer sozialer Praktiken, die Anlass zur Kritik boten: Man(n) – hier ein muslimischer Barbier und ein griechisch-orthodoxer Priester aus Damaskus des 18. Jahrhunderts – störte sich nicht nur an der unangemessenen Kleidung der Frauen, sondern auch daran, dass die Damen in der Öffentlichkeit rauchten, Kaffee tranken, Picknicks veranstalteten und freizügig mit Männern plauderten.[23]

In der Tat kam es in den 1720er Jahren zu einer ganzen Reihe sultanischer Erlasse, die die Einhaltung bestehender Kleiderordnungen forderten und insbesondere auf die Reglementierung der Kleidung der weiblichen Bewohner des Reiches zielten. Neben den üblichen Verweisen auf religiöse Gesetze und althergebrachte Praktiken wurden die fermane mit ökonomischen, sozialen und moralischen Begründungen unterfüttert. Die Extravaganz der osmanischen Frauen würde ihre Ehemänner in den Ruin treiben, ihre Vorliebe für teure Importware dem einheimischen Handwerk schaden und die Preise in die Höhe treiben, hieß es. Dem Hang einiger Musliminnen zu christlicher Mode, um verführerisch Blicke auf sich zu lenken, sei Einhalt zu gebieten, ebenso dem Drang einiger Nicht-Musliminnen, muslimische Damenmode zu imitieren, um in der Öffentlichkeit eine höhere Stellung vorzutäuschen. Dabei argumentierte man auch mit der göttlichen Ordnung (nizâm), die durch die Scharia garantiert und durch verwerfliche Neurungen (bidʿat) und grenzüberschreitendes unmoralisches Verhalten gefährdet sei.[24] An einem keuschen und ihrem Status angemessenen Auftreten von Frauen in der Öffentlichkeit war neben dem Staat auch anderen, vor allem anderen Männern gelegen: Ehemännern, Nachbarn und – wie kommunale Kleiderordnungen und das Beispiel des Damaszener Priesters zeigen – den Vorstehern der verschiedenen Religionsgemeinschaften. Schließlich entschied die Reinheit und Züchtigkeit der Frauen nicht nur über die moralische Ordnung der Gesellschaft insgesamt, sondern auch über den Zustand der eigenen Glaubensgemeinschaft.

Die Initiative für den Erlass neuer oder, wie meist der Fall, die erneute Bekräftigung bestehender Kleiderordnungen ging deswegen keineswegs allein von staatlichen Autoritäten aus, sie waren oft die Reaktion auf Beschwerden. Während der Staat primär darum bemüht war, mittels visueller Zensur die Kontrolle des Sultans über seine Untertanen herauszustellen und letzteren zu versichern, dass der Herrscher in der Lage war, die gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten, ging es den unterschiedlichen Beschwerdeführern meist um ihre Privilegien und die Moral. Visuelle Grenzüberschreitungen stellten die Zugehörigkeit und Sonderrechte gesellschaftlicher Gruppen in Frage und veranlasste diese, dagegen vorzugehen: Istanbuler aus der Elite wollten ihren Status markieren und Aufsteiger aus dem Volk fernhalten, Muslime wollten eindeutig als Mitglieder einer privilegierten Bevölkerungsgruppe erkennbar sein, und alteingesessene Handwerker wollten sicher gehen, dass nicht unbefugte Außenseiter den Profit ihrer Zunft schmälerten.

Nichtsdestotrotz wurde die Umsetzung von Kleiderordnungen im Osmanischen Reich zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert meist recht lasch gehandhabt. Unter Istanbuler Christinnen und Jüdinnen sowie Sklavinnen gehörte es bereits im 16. Jahrhundert zum guten Ton, in der Öffentlichkeit Schleier zu tragen, obwohl dies eigentlich den Musliminnen vorbehalten war. Die Miniaturen im Rålamb Kostümalbum legen nahe, dass diese Praxis im 17. Jahrhundert fortbestand. Sie zeigen zudem eine ganze Reihe weiterer »Verstöße«. So tragen zwar die dort abgebildeten armenischen Männer (Abb. 20, 80) die ihnen vorgeschriebenen roten Schuhe, die Füße der griechischen Männer (Abb. 54, 78) jedoch schmücken gelbe Schuhe, ein immer wieder betontes Privileg der Muslime. Offensichtlich ließen es sich erfolgreiche Männer aus der Mittelschicht, ob Muslim oder Nicht-Muslim, nicht lange nehmen, aktuellen Moden zu folgen und ihren Wohlstand auch durch öffentlich zur Schau gestellte Luxusgüter auszudrücken. Und auch die osmanischen Frauen ließen sich ihr Konsumverhalten nur sehr bedingt vorschreiben.[25] Da daran nicht wenige verdienten, sahen sich die Kritiker solchen Verhaltens immer auch dessen Profiteuren gegenüber und der Staat sich gezwungen, zwischen den verschiedenen Interessensgruppen zu vermitteln. Die Sichtbarkeit gesellschaftlicher Differenz und Zugehörigkeit wurde also von den unterschiedlichen Mitgliedern der Gesellschaft und den religiösen und staatlichen Autoritäten immer wieder neu verhandelt.


Umgang mit dem Anderen: Leben und Arbeiten in der multireligiösen Großstadt

Neben den äußeren Zeichen gesellschaftlicher Differenz und Zugehörigkeit wurden auch diese selbst immer wieder neu ausgehandelt. Osmanen klagten nicht nur über das, was sie als Verletzung der visuellen Ordnung und der geregelten Form des sozialen Umgangs durch andere Gruppen empfanden, sondern ebenso darüber, dass »Fremde« auch sonst so täten als gehörten sie dazu oder gar tatsächlich Aufnahme in die eigene Gruppe fanden, obwohl ihnen des eigentlich gar nicht zustünde. Während Mitglieder der Elite wie Akhisarî in nasihatname gegen Aufsteiger in ihre Kreise wetterten, blieb den meisten steuerzahlenden Untertanen nur der Weg vor Gericht; sie konnten beim lokalen Kadi oder auch beim Sultan selbst Beschwerde einreichen. Die Gerichtsakten osmanischer Kadis (kadı sicilleri) verzeichnen unzählige Streitigkeiten, bei denen Individuen oder Gruppen ihre Rechte durch Außenseiter verletzt sahen.

Gerichtsakten sind die wichtigste Quellengattung zur osmanischen Sozialgeschichte. Kadis notierten in ihren Registerbüchern Gerichtsverhandlungen und -beschlüsse, beurkundeten Rechtsgeschäfte wie Scheidungen und die Freilassung von Sklaven, verzeichneten Transaktionen wie Verkäufe und Nachlässe, und hielten Regelungen wie Zunftsordnungen, Steuern oder Marktpreise fest. Ferner kopierten sie alle an sie gesandten Befehlsschreiben des Sultans und der Regierung. Die Einträge beschränken sich nicht auf die muslimischen Bewohner des Reiches. Obwohl Nichtmuslimen bei Konflikten innerhalb ihrer Gemeinschaft eigene religiöse Gerichte offenstanden, bevorzugten sie nicht selten den islamischen Kadi.[26]

Ein Auszug aus den Istanbuler Gerichtsakten aus dem Jahr 1726 protokolliert den Fall einer Streitigkeit zwischen Mitgliedern einer Istanbuler Handwerkerzunft (taife, esnâf) um die Einstellung neuer Mitarbeiter in einigen Betrieben (Quelle 4). Die Simit-Bäcker der Stadt waren vor Gericht erschienen, um ein Befehlsschreiben des Sultans (hükm-i hümayun) zu erwirken, das die Regulierungen ihrer Zunft und die Voraussetzungen einer Mitgliedschaft bestätigt. Der Befehl (buyuruldu), der daraufhin erging, entschied entsprechend ihres Antrags. Über dessen Umsetzung oder Nicht-Umsetzung ist aus den Quellen jedoch nichts bekannt.

Die Namen der gelisteten Zunftmitglieder zeigen, dass es sich um eine religiös gemischte Berufsvereinigung handelte. Das war nichts Ungewöhnliches, solange der Zunftvorsteher (kethüda) Muslim war.[27] In der Liste zuerst aufgeführt sind, entsprechend der sozialen Hierarchie, die muslimischen Zunftmitglieder. Unter ihnen finden sich Mekka-Pilger (Hacı), Nachkommen des Propheten Muhammad (Seyyid) und Janitscharen, wobei der Titel beşe nicht eindeutig Auskunft darüber gibt, ob es sich um ein aktives Mitglied der osmanischen Eliteeinheit handelte oder nicht. In jedem Fall zeigt ihre Existenz die poröser werdenden sozialen Grenzen seit dem 17. Jahrhundert, als einerseits mehr und mehr Mitglieder der militärischen Elite aus den Baracken in die Städte zogen, sich in urbane Strukturen wie Handwerkszünfte integrierten und zu wichtigen Wirtschaftsakteuren avancierten und sich andererseits immer wieder Stadtbewohner um militärische Titel bemühten, um sich durch staatliche Soldzahlungen wirtschaftlich abzusichern.[28] Der Zunftsvorsteher der Simit-Bäcker Mehmed war auch ein beşe. Die Namen der anschließend aufgelisteten Nicht-Muslime (zimmi) legen nahe, dass der Zunft zudem einige Griechen – ein Yiannis mit Bart, einer ohne Bart, einer von der Insel Chios –, Albaner und Bulgaren angehörten. Weitere sekundäre Mitglieder und die dahinter stehenden Hierarchien unter den Istanbuler Simit-Bäckern sind in dem Dokument nur angedeutet, vor allem die Zugehörigkeit von Lehrlingen und ihr Verhältnis zum Meister (usta); hier erwähnt wird ein Usta Hasan Beşe.[29] Auch die Verpflichtung der einzelnen Mitglieder, ihren Beitrag zu der für ihre Zunft insgesamt festgesetzten Steuer zu entrichten, ist im Dokument mit der Erwähnung gegenseitiger Bürgschaft nur indirekt angesprochen. Explizit vermerkt hingegen ist bei jedem der namentlich geführten Zunftmitglieder wo er seine Simit-Bäckerei unterhielt. Muslime findet man eher in vorwiegend muslimisch bewohnten Vierteln wie Vefa; Nicht-Muslime eher in mehrheitlich griechisch, armenisch oder jüdischen Vierteln wie Fener und Balat; sowohl muslimische als auch christliche Simit-Bäcker gab es in religiös stark gemischten Vierteln wie Kumkapı oder Samatya.[30] Diese Aufteilung der Stadt unter den Vertretern eines Metiers war wichtig, damit man sich nicht gegenseitig die Kunden abspenstig machte.

Aktivitäten außerhalb des eigenen Quartiers, die Ausweitung des Tätigkeitsfeldes in die Domäne anderer Zünfte, Preisdumping oder das Horten von Rohmaterialien gaben immer wieder Anlass zu Streit innerhalb von und zwischen Zünften.[31] Konfliktpotenzial ergab sich außerdem aus dem Umstand, dass im 17. und 18. Jahrhundert große Zahlen an Immigranten in die osmanischen Städte strömten. Zwar waren diese stets auf Neuankömmlinge angewiesen, deren Integration in bestehende Strukturen verlief jedoch nicht immer reibungslos. Ein zentrales Instrument, um den Zustrom sowohl in die Städte als auch in die Zünfte zu begrenzen und sie vor unlauterem Wettbewerb zu schützen, war das System der Bürgschaft (kefâlet). Nur ein Immigrant, der einen einheimischen Bürgen vorweisen konnte, der für ihn haftete, durfte in der Stadt bleiben; nur derjenige, der Bürgen (kefil) unter den etablierten Handwerkern auftun konnte, fand Zugang in eine Zunft. Je nach politisch-gesellschaftlicher Stimmung wurden solche Vorschriften mehr oder weniger konsequent umgesetzt und Männer der Stadt verwiesen, wenn sie keinen Bürgen vorweisen konnten.[32]

Auf diese Form der Regulierung durch Bürgschaft bezogen sich die Istanbuler Simit-Bäcker in ihrer Beschwerde gegen den Versuch einiger Mitglieder ihrer Handwerkergemeinschaft zu expandieren und ohne Zustimmung der Zunftoberen neue Mitarbeiter für den Straßenverkauf einzustellen. Die Beschwerdeführer, die offenbar wirtschaftliche Nachteile fürchteten, sahen darin eine Verletzung der Zunftordnung und forderten staatliche Unterstützung bei der Durchsetzung der »alten Ordnung« (nizâm-i kadîmeleri). Ihre Initiative führt – wie die Erlasse vieler Kleiderordnungen auch – abermals vor Augen, dass die Festschreibung von Zugehörigkeit oft weniger einem Reglungswahn zur Umsetzung normativer Vorstellungen durch staatliche Autoritäten entsprang, als dass sie situativ auf Betreiben der direkt betroffenen gesellschaftlichen Gruppen erfolgte. Diese Gruppen setzten sich je nach Situation anders zusammen, um ihre Interessen gegen Außenstehende zu verteidigen. Im Fall der Simit-Bäcker waren es nicht die religiösen, sozialen oder sprachlichen Differenzen innerhalb der Zunft, sondern die gemeinsame Zugehörigkeit zu einer Berufsgemeinschaft gepaart mit gemeinsamen ökonomischen Interessen, die darüber entschieden, wer »wir« und wer die »anderen« waren, um deren Ab- und Ausgrenzung man sich gerade bemühen musste. Im Jahr 1726 waren dies neue Arbeiter ohne hinreichende Assoziierung an die Zunft. Ihre Religion und ihre soziale und regionale Herkunft waren offensichtlich irrelevant, sie werden in dem Dokument gar nicht erst erwähnt. Dass die Zunftpolitik gegenüber Außenseitern in anderen Zeiten ganz anders aussehen konnte, zeigt die Mitgliedschaft der vielen Janitscharen und des Griechen Yiannis aus Chios bei den Istanbuler Simit-Bäckern.


Schluss

Die hier vorgestellten Quellen und Überlegungen verweisen auf das komplexe und wechselhafte Verhältnis von Politik und Religion im Osmanischen Reich zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert. Das religiös fundierte Weltbild der osmanischen Elite prägte das politische Denken, Sprechen und Handeln. Religion legitimierte Herrschaft und die Existenz der hierarchischen gesellschaftlichen Ordnung, die jedem Einzelnen seinen Platz zuwies; Differenz galt als Gott gegeben. Die Bewahrung der göttlichen Ordnung war die wesentliche Aufgabe, die Einhaltung der Scharia die wichtigste Grundlage politischen Handelns. Zeitgenössischen Kritikern des Herrschers und seiner Politik sowie Skeptikern und Leittragenden gesellschaftlichen Wandels diente der Verweis auf die Religion, die göttliche Ordnung und das göttliche Gesetz deshalb als beliebte Stütze ihrer Argumentation.

Nichtsdestotrotz war Religion für Osmanen immer nur eine Zugehörigkeit unter vielen und Politik wurde nie nur von oben, sondern immer auch von unten gemacht. Jeder Bewohner des Reiches war durch eine ganze Reihe von Zuschreibungen und Zugehörigkeiten an mehrere gesellschaftliche Gruppen gebunden: als Teil der Elite oder steuerzahlender Untertan, Mann oder Frau, Muslim oder Nicht-Muslim, Mitglied einer religiösen, ethnischen, sprachlichen, regionalen oder beruflichen Gemeinschaft, frei oder unfrei, alt oder jung, verheiratet oder ledig, reich oder arm, geachtet oder geächtet. Je nach Person und Gelegenheit überlagerten und hierarchisierten sich diese Zugehörigkeiten immer wieder neu. Oft waren die Grenzen fließend, nicht nur zwischen sozialen Gruppen wie bei den Janitscharen-Handwerkern, sondern sogar zwischen den Geschlechtern.[33] Nicht selten wurden Zugehörigkeiten gewechselt oder vorgetäuscht, weil die Mitgliedschaft in einer anderen Gruppe Vorzüge versprach. Ständig wurden sie von den betroffenen Individuen, Gruppen, Außenstehenden und staatlichen Autoritäten neu verhandelt und nach außen hin für alle kenntlich gemacht. Religion und Politik standen also stets in einem komplexen Geflecht von Ideen, Sprechakten und Handlungen und wurden von unterschiedlichen Akteuren in unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich eingesetzt.

Anmerkungen

  1. Einen kritischen Überblick über diese Forschungstradition bieten Fikret ADANIR / Suraiya FAROQHI (Hg.), The Ottomans and the Balkans. A Discussion of Historiography, Leiden 2002; Şuhnaz YILMAZ / İpek YOSMAOĞLU, Fighting the Spectres of the Past. The Dilemmas of Ottoman Legacy in the Balkans and the Middle East, in: Middle Eastern Studies 44:5 (2008), S. 677–693.
  2. Eine umfassende kritische Auseinandersetzung mit dieser Forschungstradition steht noch aus, einen Einblick bietet Maurus REINKOWSKI, The Ottoman Empire and South Eastern Europe from a Turkish Perspective, in: Tea SINDBAEK / Maximilian HARTMUTH (Hg.), Images of Imperial Legacy. Modern Discourses on the Social and Cultural Impact of Ottoman and Habsburg Rule in Southeast Europe, Berlin 2011, S. 21–36.
  3. Grundlegend ist hier die Arbeit von Cemal KAFADAR, Between Two Worlds. The Construction of the Ottoman State, Berkeley 1996. Die »Sunnitisierung« des Osmanischen Reiches wird zunehmend auch als Teil einer Europa und den Nahen Osten überspannenden Geschichte der »Konfessionalisierung« und Staatsbildung betrachtet, vgl. etwa das ERC-Forschungsprojekt OttoConfession: The Fashioning of a Sunni Orthodoxy and the Entangled Histories of Confession-Building in the Ottoman Empire, 15th–17th Centuries: https://cems.ceu.edu/ottoconfession. Als Einstieg in die Forschungsdiskussion eignet sich Derin TERZIOĞLU, How To Conceptualize Ottoman Sunnitization. A Historiographical Discussion, in: Turcica 44 (2012–2013), S. 301–338.
  4. Drei Beispiele: Christine ISOM-VERHAAREN / Kent F. SCHULL (Hg.), Living in the Ottoman Realm. Empire and Identity, 13th to 20th Centuries, Bloomington 2016; Baki TEZCAN, Ethnicity, Race, Religion and Social Class. Ottoman Markers of Difference, in: Christine WOODHEAD (Hg.), The Ottoman World, London 2012, S. 159-170; Rhoads MURPHEY, Forms of Differentiation and Expression of Individuality in Ottoman Society, in: Turcica 34 (2002), S. 135–170.
  5. Einen neueren Überblick über die Forschung zur nasihatname-Literatur bietet Heather FERGUSON, Genres of Power. Constructing a Discourse of Decline in Ottoman Nasihatname, in: Journal of Ottoman Studies 35 (2010), S. 81–116. Grundlegend für eine Neubewertung dieser Quellen und eine Neubewertung osmanischer Geschichte jenseits teleologischer und orientalistischer Erzählungen war Rifa‘AT ‘ALI ABOU-EL-HAJ, Formation of the Modern State. The Ottoman Empire, Sixteenth to Eighteenth Centuries, New York 1991. Einen Überblick über osmanisches politisches Denken bietet Marinos SARIYANNIS, Ottoman Political Thought up to the Tanzimat. A Concise History, Rethymno 2015.
  6. Zur Forschung über Akhisarî und sein Opus vgl. Muhammed ARUÇI / Hasan Kâfî AKHISÂRÎ, Türkiye Diyanet Vakfı İslam Ansiklopedisi, Bd. 16, Istanbul 1997.
  7. Mehmet İPŞIRLI, Hasan Kâfî el-Akhisarî ve Devlet Düzenine Ait Eseri Usûlü’l-Hikem fî Nizâmi’l-‘Âlem, in: İstanbul Üniversitesi Edebiyat Fakültesi Tarih Enstitütü Dergisi 10–11 (1981), S. 239–278, 251. Dieser Paragraph ist in der deutschen Übersetzung stark verkürzt wiedergegeben: [Emmerich von] KARÁCSON und [Ludwig von] THALLÓCZY, Eine Staatsschrift des bosnischen Mohammedaners Molla Hassan Elkjáfi »über die Art und Weise des Regierens«, in: Archiv für Slavische Philologie 32 (1911), S. 139–158, hier S. 146.
  8. Ähnliche Ideen finden sich im christlichen Europa des Mittelalters und der Frühneuzeit in der Ständelehre, in der allerdings von drei und nicht vier Ständen ausgegangen wird.
  9. Zur Idee der Weltordnung bei den Osmanen vgl. Gottfried HAGEN, Legitimacy and World Order, in: Hakan T. KARATEKE / Marus REINKOWSKI (Hg.), Legitimizing the Order. The Ottoman Rhetoric of State Power, Leiden 2005, S. 55–83. Zur Idee des Kreises der Gerechtigkeit vgl. Linda DARLING, A History of Social Justice and Political Power in the Middle East. The Circle of Justice from Mesopotamia to Globalization, New York 2013; Marinos SARIYANNIS, Ruler and State, State and Society in Ottoman Political Thought, in: Turkish Historical Review 4 (2013), S. 92–126.
  10. İPŞIRLI, Hasan Kâfî el-Akhisarî, S. 253; die entsprechende Stelle ist in der deutschen Übersetzung von KARÁCSON / THALLÓCZY gekürzt.
  11. Kostümbücher erfreuten sich im frühneuzeitlichen Europa großer Beliebtheit, vergleiche dazu Cornelia Austs Beitrag »Die visuelle Ordnung der frühneuzeitlichen Gesellschaft: Jüdische Kleiderordnungen« in dieser Quellenanthologie.
  12. Zum Rålamb Kostümalbum vgl. Karin ÅDAHL (Hg.), The Sultan’s Procession. The Swedish Embassy to Sultan Mehmed IV in 1657–1658 and the Rålamb Paintings, Istanbul 2006. Für eine Beschreibung der Kleidungsstücke vgl. Emine KOCA / Fatma KOÇ, Kiyafetnameler ve Ralamb’in Kiyafet Albümün’deki 17. Yüzyil Osmanli Toplumu Giysi Özelliklerinin İncelenmesi, in: Turkish Studies 9:11 (2014), S. 371–394. Zu Kostümalben, ihren Produzenten und Konsumenten vgl. Leslie Meral SCHICK, Meraklı Avrupalılar için Bir Başvuru Kaynağı. Osmanlı Kıyafet Albümleri, in: Toplumsal Tarih 116 (2003), S. 84–89. Zur osmanischen Miniaturmalerei vgl. Serpil BAĞCI u.a. (Hg.), Ottoman Painting, Ankara 2006.
  13. Zu osmanischer Kleidung vgl. Suraiya FAROQHI / Christoph NEUMANN (Hg.), Ottoman Costumes. From Textile to Identity, Istanbul 2004. Zu osmanischen Grabsteinen vgl. Edhem ELDEM, Urban Voices from Beyond. Identity, Status and Social Strategies in Muslim Funerary Epitaphs of Istanbul (1700–1850), in: Virginia AKSAN / Daniel GOFFMANN (Hg.), The Early Modern Ottomans. Remapping the Empire, Cambridge 2007, S. 233–255.
  14. Zur Figur des »Stadtjungen« in zeitgenössischen Texten und bildlichen Darstellungen vgl. Tülün DEĞIRMENCI, Osmanlı Tasvir Sanatında Görselin Okunması İmgenin Ardındaki Hikâyeler (Şehir Oğlanları ve İstanbul’un Meşhur Kadınları), in: Osmanlı Araştırmaları 45 (2015), S. 25–55.
  15. Zur Kleidung von Sufis vgl. Jürgen W. FREMBGEN, Kleidung und Ausrüstung islamischer Gottsucher. Ein Beitrag zur materiellen Kultur des Derwischwesens, Wiesbaden 1999; Helga ANTESHOFER / Hakan KARATEKE (Hg.), Traktat über die Derwischmützen (Risāle-i Tāciyye) des Müstaqīm-zāde Süleymān Saʿeddīn (st. 1788), Leiden 2001. Zur Darstellung von Wanderderwischen in osmanischen Miniaturen vgl. Tülün DEĞIRMENCI, Farklı İnançlar Farklı Kıyafetler. 17 Yüzyıl Osmanlı Kitap Resminde Gezici Dervişler, in: Sezer Tansuğ Vakfı Sanat Tarihi Yıllığı 1 (2006), S. 85–98.
  16. Silvyo OVADYA, Osmanlı’da Yahudi Kıyafetleri, o.O., o.D.
  17. 85 Numaralı Mühimme Defteri (1040–1041 [1042]/1630–1631 [1632]), Ankara 2002, S. 127, Nr. 206.
  18. Zu Konversion und Kleidung vgl. Marc David BAER, Honored by the Glory of Islam. Conversion and Conquest in Ottoman Europe, New York 2008. Zu Kleidergeld-Petitionen von Konvertiten vgl. Anton MINKOV, Conversion to Islam in the Balkan. Kisve Bahası Petitions and Ottoman Social Life, 1670–1730, Leiden 2004. Zu Neo-Märtyrern vgl. Marinos SARIYANNIS, Aspects of ›Neomartyrdom‹. Religious Contacts, ›Blasphemy‹ and ›Calumny‹ in 17th Century Istanbul, in: Archivum Ottomanicum 23 (2005–2006), S. 249–262.
  19. Donald QUATAERT, Clothing Laws, State, and Society in the Ottoman Empire, 1720–1829, in: International Journal of Middle East Studies 29:3 (1997), S. 403–425, hier S. 410.
  20. 85 Numaralı Mühimme Defteri (1040–1041 [1042]/1630–1631 [1632]), Ankara 2002, S. 279, Nr. 456.
  21. Tülün DEĞIRMENCI, An Illustrated Mecmua. The Commoners’ Voice and the Iconography of the Court in Seventeenth-Century Ottoman Painting, in: Ars Orientalis 41 (2011), S. 186–218, hier S. 197.
  22. Zum kulturellen Leben dieser Epoche vgl. Shirine HAMADEH, The City’s Pleasures. Istanbul in the Eighteenth Century, Seattle 2008; Dana SAJDI (Hg.), Ottoman Tulips, Ottoman Coffee. Leisure and Lifestyles in the Eighteenth Century, London 2008.
  23. Ersterer Autor moniert zudem die Überschreitung religiöser Grenzen durch Juden, die im Kaffeehaus auf höheren Stühlen säßen als Muslime: Dana SAJDI, The Barber of Damascus. Nouveau Literacy in the Eighteenth-Century Ottoman Levant, Stanford 2013, S. 30–31.
  24. So etwa in einem ferman zur Kleidung muslimischer Frauen in Istanbul von 1726: İstanbul Kadı Sicilleri. İstanbul Mahkemesi 24 Numarali Sicil (H. 1138–1151/ M. 1726–1738), Istanbul 2010, S. 97–99, Nr. 31. Zu osmanischen Kleiderordnungen dieser Zeit und ihren Hintergründen vgl. Betül İ. ARGIT, An Evaluation of the Tulip Period and the Period of Selim III in the Light of Clothing Regulations, in: Osmanlı Araştırmaları 24 (2004), S. 11–28; QUATAERT, Clothing Laws; Madeline C. ZILFI, Women and Society in the Tulip Era, 1718–1730, in: Amira EL AZHARTY SONBOL (Hg.), Women, the Family, and Divorce Laws in Islamic History, Syracuse 1996, S. 290–303.
  25. Zur (Nicht-)befolgung von Kleiderordnungen vgl. MURPHEY, Forms of Differentiation, S. 137–141. Zu Frauen vgl. Kate FLEET, The Powerful Public Presence of the Ottoman Female Customer, in: Ebru BOYAR / Kate FLEET (Hg.), Ottoman Women in Public Space, Leiden 2016, S. 91–127. Zu Juden und dem hier erwähnten Schleiertragen nicht-muslimischer Frauen vgl. Minna ROZEN, A History of The Jewish Community of Istanbul. The Formative Years (1453–1566), Leiden 2002, S. 21–23, 287.
  26. Zu osmanischen Kadiamtsregistern vgl. Suraiya FAROQHI, Sidјill (in Ottoman Administrative Usage), in: Encyclopaedia of Islam, Bd. 9, Leiden 21997, S. 539–545. Zum Amt des Kadis vgl. Rossitsa GRADEVA, On the Judicial Functions of Kadi Courts. Glimpses from Sofia in the Seventeenth Century, in: Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 2 (2005), S. 15–43. Zu Nicht-Muslimen vor islamischen Gerichten vgl. Richard WITTMANN, Before Qadi and Grand Vizier. Intra-Communal Dispute Resolution Among Christians and Jews in the Plural Society of 17th Century Istanbul, unveröffentl. Ph.D., Harvard University, Cambridge 2008.
  27. Zu osmanischen Zünften vgl. Eunjeong YI, Guild Dynamics in Seventeenth-Century Istanbul. Fluidity and Leverage, Leiden 2004; Suraiya FAROQHI / Randi DEGUILHEM (Hg.), Crafts and Crafsmen in the Middle East. Fashioning the Individual in the Muslim Mediterranean, London 2005. Zu den unterschiedlichen Istanbuler Bäckerzünften vgl. Salih AYNURAL, The Millers and Bakers of Istanbul (1750–1840), in: ibidem, S. 153–194. Zur religiösen Zusammensetzung der Istanbuler Zünfte vgl. Suraiya FAROQHI, Did Cosmopolitanism Exist in Eighteenth-Century Istanbul? Stories of Christian and Jewish Artisans, in: Ulrike FREITAG / Nora LAFI (Hg.), Urban Governance Under the Ottomans. Between Cosmopolitanism and Conflict, London 2014, S. 21–36.
  28. Zu Soldaten in Handwerkerzünften vgl. Gülay Yılmaz DIKO, Blurred Boundaries between Soldiers and Civilians. Artisan Janissaries in Seventeenth Century Istanbul, in: Suraiya FAROQHI (Hg.), Bread from the Lion’s Mouth. Artisans Struggling for a Livelihood in Ottoman Cities, New York 2015, S. 175–193.
  29. Lehrlinge sind, ebenso wie Mit- und Hilfsarbeiter oder assoziierte Partner und Investoren, in offiziellen Dokumenten selten verzeichnet, da sie nicht als Vollmitglieder einer Zunft mit allen Rechten und Pflichten galten, sondern ihre Mitgliedschaft über ihren Meister sicherten: Eunjeong YI, Guild Membership in Seventeenth-Century Istanbul. Fluidity in Organization, in: FAROQHI / DEGUILHEM (Hg.), Crafts and Craftsmen in the Middle East, S. 55–83.
  30. Über das Zusammenleben in der engen und gleichzeitig religiös und sozial sehr heterogenen Metropole Istanbul vgl. Rhoads MURPHEY, Communal Living in Ottoman Istanbul. Searching for the Foundations of an Urban Tradition, in: Journal of Urban History 16 (1990), S. 115–131.
  31. Ein Beispiel für Ärger wegen unrechtmäßiger Ausweitung des Tätigkeitsfeldes bietet ein Mitglied der Simit-Bäckerzunft, Coco oder Çoco aus dem Viertel Sarıgız. Er wurde kurz vor der hier besprochenen Zunft-Streitigkeit beschuldigt, nebenbei hochwertiges Brot zu backen, was Brotbäcker und andere aus der Nachbarschaft gegen ihn aufbrachte und ihm auf deren Beschwerde hin untersagt wurde: İstanbul Kadı Sicilleri. İstanbul Mahkemesi 24 Numarali Sicil (H. 1138–1151/ M. 1726–1738), Istanbul 2010, S. 315–317, Nr. 234.
  32. Zur Immigrationspolitik vgl. Betül BAŞARAN, Selim III, Social Control and Policing in Istanbul at the End of the Eighteenth Century, Leiden 2014. Zu Immigranten und Marginalität vgl. Işıl ÇOKUĞRAŞ, Bekâr Odaları ve Meyhaneler. Osmanlı İstanbulu’nda Marjinalite ve Mekân (1789–1839), Istanbul 2016. Zu Immigranten und Zünften vgl. Suraiya FAROQHI, Immigrant Tradesmen as Guild Members, or the Adventures of Tunisian Fez-Sellers in Eighteenth-Century Istanbul, in: Jane HATHAWAY (Hg.), The Arab Lands in the Ottoman Era (1600–1900), Minneapolis 2009, S. 187–207.
  33. Zu fluiden, sich je nach Lebensabschnitt und sozialem Status wandelnden Geschlechterrollen vgl. Walter G. ANDREWS / Mehmet KALPAKLI, The Age of Beloveds. Love and the Beloved in Early Modern Ottoman and European Culture and Society, Durham 2005; Leslie P. PIERCE, Seniority, Sex, and Social Order. The Vocabulary of Gender in Early Modern Ottoman Society, in: Madeline C. ZILFI (Hg.), Women in the Ottoman Empire. Middle Eastern Women in the Early Modern Era, Leiden 1997, S. 169–196.