Essay zu Religion und Politik im ersten Weltkrieg

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Andrea Hofmann

Religion und Politik im Ersten Weltkrieg


I. Einführung

Im Gegensatz zu den europäischen Religionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts wurde der Erste Weltkrieg nicht aus religiösen oder konfessionspolitischen Motiven heraus geführt. Vielmehr war er der Höhepunkt eines sich im 19. Jahrhundert entwickelnden Konflikts zwischen den europäischen Großreichen, der sich über die ganze Welt ausdehnte.

Der vorliegende Essay zeigt, wie der gegenseitige Austausch von Sprachmustern und Motiven die populären säkularen und theologischen Schriften des Ersten Weltkriegs bestimmte. Im Zentrum soll die Analyse der Quellenstücke stehen: Die beiden »Balkonreden«, die Kaiser Wilhelm II. zu Beginn des Krieges an das deutsche Volk richtete, enthalten Motive, die wesentlich für die Konstruktion des »Augusterlebnisses« wurden. Gleichzeitig sind diese Reden von christlich konnotierten Sprachmustern bestimmt. Die ausgewählten Teile aus der Agende für Kriegszeiten lassen erkennen, dass sich die im Augusterlebnis geprägten Motive auch in populär-theologischen protestantischen Schriften wiederfinden. Hier erfuhren diese Motive eine deutlichere religiöse Interpretation. Der Krieg wurde in den theologischen Schriften durch die Einschreibung in einen heilsgeschichtlichen Kontext gleichsam sakralisiert.[1] Die Agende eignet sich in besonderem Maße, um diese Beobachtung zu beschreiben: Bietet sie doch unterschiedliche Gattungen – Gottesdienstordnungen, Gebete, Lieder, Bibelverse usw. –, die von der Gemeinde nicht nur hörend wahrgenommen wurden. Betend und singend beteiligten sich die Gottesdienstbesucher selbst aktiv an der Verbreitung und Rezeption der theologischen Kriegsdeutung. Ein wesentliches Element, das alle Quellenstücke verbindet, ist die Nation, der sowohl im weltlichen wie auch im religiösen Kontext ein hoher Stellenwert zugesprochen wurde. Die Zusammengehörigkeit und Einheit des deutschen Volkes wurde mithilfe biblischer Symbolsprache und durch Aufbau eines ebenfalls biblisch begründeten Feindbildes (Kriegsgegner!) konstruiert. In den theologischen Texten wurde die deutsche Nation sogar mit dem von Gott erwählten biblischen Volk Israel gleichgesetzt. »Die religiöse Semantik dient in den modernen Nationalismen dazu, die emotionale Bindung des Einzelnen an die Nation in den tiefsten Schichten seiner Seele zu verankern und die nationale Gemeinschaft als umfassend, auch innerlich bindende Heilsgemeinschaft zu stabilisieren.«[2], beschrieb Friedrich Wilhelm Graf dieses Phänomen, das er nicht nur für das deutsche Kaiserreich, sondern auch für andere Staaten im zu Ende gehenden 19. Jahrhundert feststellte.[3]

Blickt man auf das Bild der wilhelminischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, dann wird deutlich, dass das 1871 gegründete Deutsche Reich keineswegs eine harmonische Einheit war. Wesentlich geprägt war die Gesellschaft durch die Monarchie, die vor allem durch das protestantische Bildungsbürgertum gestützt wurde. Nach dem Zusammenschluss der Territorien zum Deutschen Reich blieb Preußen dennoch bestimmende und prägende Macht.[4] Im Reich gab es ein Fünfparteiensystem. Die Parteien waren in ihrer inhaltlichen Ausrichtung eng mit bestimmten Gesellschaftsschichten des Reiches verknüpft, deren Interessen sie vertraten. Der rechte Flügel wurde durch die Deutschkonservative und die Deutsche Reichspartei (Freikonservative) repräsentiert. Das Zentrum vertrat den politisch organisierten Katholizismus, während die Nationalliberale Partei und die Deutsche Fortschritts- und die Deutsche Volkspartei dem Liberalismus zuzurechnen waren. Die Arbeiterschaft wurde durch die Sozialistische Arbeiterpartei (seit 1890: Sozialdemokratische Partei) Deutschlands repräsentiert.[5] Im Zuge der Industrialisierung war die Arbeiterschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stetig gewachsen.[6] Die SPD wurde von Bismarck und seinen Nachfolgern als »Vaterlandsverräterin« angesehen. Durch die Sozialistengesetze von 1878–1890 versuchte Bismarck, die Wirkungsmacht der Partei einzudämmen.[7]

Bis 1919 bestand im Deutschen Reich das Klassenwahlrecht.[8] Zu einer wichtigen Instanz der Informationsvermittlung und politischen Meinungsbildung wurde die Presse, die jedoch durch obrigkeitliche Kontrollen und Zensuren beeinflusst wurde.[9] Allein dieser holzschnittartig wiedergegebene Überblick[10] über die Parteienlandschaft des Deutschen Reiches zeigt, dass eine Zersplitterung der Gesellschaft in verschiedene Stände und Parteien existierte, die auch durch ein soziales Ungleichgewicht zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum geprägt war.

Hinzu kamen die konfessionellen Frontstellungen, die das 19. Jahrhundert bestimmten. Die deutschen Kaiser stammten seit 1871 aus dem Milieu des preußischen Protestantismus, der auch das protestantische Bildungsbürgertum prägte. Der sog. Kulturprotestantismus des 19. Jahrhunderts sah eine enge Beziehung zwischen Kultur, Religion und Nation.[11] Aus der Sicht vieler protestantischer Eliten war die deutsche Nation eine protestantische Nation. Als wesentliche Etappe in der Geschichte vom Ursprung des Reiches wurde die Reformation Martin Luthers gesehen. Religion und Politik verdichteten sich am Ende des Jahrhunderts nicht zuletzt in der Figur von Kaiser Wilhelm II., der sich ausdrücklich als protestantischer Herrscher präsentierte.[12]

Die übrigen Konfessionen wurden gerade von den protestantischen Bildungsbürgern kritischer beurteilt. Katholiken und Juden warf man Illoyalität gegenüber dem Reich vor: Während die Katholiken als Bürger einer Nation zugleich dem Papst unterstanden, der in Rom residierte, erschienen die Juden als Mitglieder eines eigenen Volkes und nicht als vollwertige, unbedingt treue Bürger des Deutschen Reiches. Sie befanden sich immer in einem Zwiespalt zwischen ihrer Zugehörigkeit zum Volk Israel und zum Deutschen Reich.[13]

Viele katholische Eliten hatten 1848/49 im Kontext der Frankfurter Nationalversammlung für eine großdeutsche Lösung der deutschen Frage plädiert, also für einen Zusammenschluss mit den deutschen Gebieten der Habsburgermonarchie.[14] In der Verbindung mit dem katholischen Habsburg sahen sie die Möglichkeit, ihre eigene Position im Reich zu stärken. Als deutlich wurde, dass diese Lösung nicht möglich war, befürworteten auch sie den kleindeutschen Nationalstaat.[15] Vor allem kleinbürgerliche, bäuerliche und proletarische Schichten der Katholiken hingegen neigten dem nach Rom gerichteten Ultramontanismus zu.[16] Trotz dieser erschwerten Umstände für Katholiken im Reich »konnten [diese] sich auf einen konfessionell neutralen Nationalismus einlassen, wie er während des Krieges [1870/71] sehr wohl auch von vielen protestantischen Stimmen propagiert wurde, aber sie mußten dort zurückschrecken, wo eine evangelische Nation sich auf Kosten der Katholiken profilierte […].« [17]

Der Reichskanzler Otto von Bismarck wollte nach der Reichsgründung das Verhältnis von Kirche und Staat neu regeln und beide Sphären deutlicher voneinander trennen. Dabei kam es vor allem zwischen der Regierung und den Liberalen einerseits sowie den katholischen Kräften andererseits zu schwerwiegenden Konflikten, die in den Kulturkämpfen ausgetragen wurden. Ergebnisse waren z.B. die Einführung der Zivilehe. Nach der Beendigung der Kulturkämpfe entspannte sich das Verhältnis zwischen den Katholiken und der Regierung. Trotzdem blieb gerade von protestantischer Seite aus ein gewisses Misstrauen bestehen.[18]

Die skizzierten Sachverhalte zeigen, dass das Deutsche Reich zu Beginn des 19. Jahrhunderts keinesfalls eine homogene Nation war, sondern durch konfessionelle, gesellschaftliche und territoriale Differenzen bestimmt wurde. Der drohende Krieg bot nun dem Kaiser die Möglichkeit, einen »Burgfrieden« auszurufen und die viel beschworene Einheit zwischen Konfessionen, Parteien und Gesellschaftssichten zumindest auf dem Papier herzustellen. Die Idee des »Burgfriedens« fand sich mit einer theologischen Deutung auch in den Schriften der protestantischen Theologen.


II. Quelleninterpretation

1. Die Balkonreden von Kaiser Wilhelm II. als Beispiel für religiöse Sprachmuster in politischen Reden

Am 31. Juli und am 1. August 1914 wandte sich Kaiser Wilhelm II. jeweils mit einer kurzen Rede vom Balkon des Berliner Schlosses an das deutsche Volk. Die Kriegserklärung an Russland war erfolgt, die französische Kriegserklärung stand unmittelbar bevor. Das Deutsche Reich sah sich in einen Krieg »gedrängt«, der schon allein aufgrund der geographischen Lage des Reiches zwischen den beiden Hauptkriegsgegnern strategisch schwierig zu führen war. Trotzdem vermittelten die Heeresleitung und die deutsche Regierung eine positive Grundstimmung und Siegesgewissheit. In den letzten Juli- und den ersten Augusttagen rüstete das Heer auf. Menschen strömten auf die Straßen, um den Ausmarsch der Soldaten zu beobachten und ihnen zuzujubeln. Politische Kundgebungen, oft verbunden mit Kriegsgottesdiensten, fanden in nahezu allen größeren Städten des Reiches statt. Teile der Bevölkerung wurden von einer Kriegsbegeisterung getrieben – andere Bevölkerungsschichten sahen dem Geschehen besorgter entgegen. Die Aussicht auf schwere Kämpfe, aber auch auf fehlende Arbeitskräfte auf den Feldern bei der bevorstehenden Ernte verunsicherte zahlreiche Menschen. Die Ereignisse und die angebliche Begeisterung dieser ersten Kriegstage wurden bald als »Augusterlebnis« bezeichnet und die Erinnerung daran im Laufe des Krieges immer wieder als Propaganda eingesetzt, um der zunehmenden Kriegsmüdigkeit entgegen zu wirken.[19]

Die Balkonreden von Kaiser Wilhelm II. enthalten Motive, die wesentlich für die Konstruktion des Augusterlebnisses waren (Quellen 1 und 2). Der Kaiser präsentierte sich selbst als gerechten, friedfertigen Herrscher, der durch den Neid der übrigen europäischen Mächte in den Krieg getrieben worden sei. Dagegen betonte er den »Burgfrieden« zwischen Konfessionen und Parteien, der sich mit Kriegsbeginn innerhalb des Deutschen Reiches manifestieren sollte. Im Hinblick auf die Parteien zielte dieser Burgfrieden vor allem auf das Verhältnis zur SPD ab. Diese hatte sich bereit erklärt, Kriegskredite zu zahlen und sich im Krieg der Regierung gegenüber loyal zu verhalten – trotz aller innenpolitischer Schwierigkeiten, die seit ihrer Gründung im Reich mit der Regierung bestanden hatten. Dafür forderten sie z.B. die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts in Preußen. Eine andere Gruppe, die der Kaiser für sich gewinnen wollte, waren die Katholiken, zu denen das Verhältnis vor allem seit den Kulturkämpfen ebenfalls gespannt war, evtl. auch die Juden.[20] Ein weiteres Element der Rede war der Verweis auf die »Opfer an Gut und Blut«, die die Menschen im Krieg aufbringen sollten. Zudem wurde den Zuhörern der Kirchgang empfohlen. Immer wieder rekurrierte der Kaiser in der Rede auf Gott, der um Unterstützung gebeten wurde. Mit der Erwähnung des Opfers[21] und vor allem der Nennung von Gott gab der Kaiser seiner Rede eine religiöse Konnotation. Er nutzte das aus dem religiösen Kontext übernommene Vokabular, um dem Krieg nicht nur eine politische, sondern auch eine religiöse Legitimierung zu geben, die höher als alle politischen Interessen einzuschätzen war: Nicht mehr der Kaiser erschien als oberster Kriegsherr, sondern Gott. Am ersten Sonntag nach Kriegsbeginn rief Kaiser Wilhelm zudem (wie schon 1870) einen allgemeinen Kriegs-Buß-und Bettag aus. Auch diese Handlung zeigt, wie der Krieg mit religiösen Deutungsmustern überzogen wurde und damit eine besondere Legitimation bekam.[22] Im Zentrum der Ansprache des Kaisers stand der »Burgfrieden«, in dem Partei- und Konfessionszugehörigkeiten zugunsten einer höheren Sache, nämlich der einigen Nation, zurücktreten sollten. Nur so, wie die kaiserliche Propaganda verlauten ließ, könne das Reich siegreich aus dem Krieg hervorgehen.


2. Liturgie als Medium zwischen Politik und Theologie

Die beschriebenen religiösen Sprachmuster, die Kaiser Wilhelm in seiner Rede geprägt hatte, wurden im Verlauf des Krieges sowohl von säkularer als auch von kirchlicher Seite immer wieder verwendet, um den Durchhaltewillen und die Motivation für den Krieg in der Bevölkerung zu stärken. Das Motiv vom sog. Augusterlebnis wurde auch in den theologischen Texten rezipiert und dort mit der Annahme verbunden, dass der Kriegsbeginn wie ein neues Pfingsten auf das kirchliche Leben wirkte.[23] Vor dem Krieg beobachteten Theologen einen moralischen und sittlichen Verfall in ihren Gemeinden, der sich u.a. in der geringer werdenden Frequentierung der Gottesdienste zeige. Jetzt, beim Anbruch des Krieges, schien die Kirche als Autorität zur Sinngebung in einer Krisensituation wieder an Bedeutung zu gewinnen, und die Bevölkerung besann sich scheinbar auf die alten protestantischen Werte. Der Verweis auf die »verheißungsvolle Verbindung von Gemeinschaftserfahrung und Opferbereitschaft, Todesweihe und Siegeswillen«[24], welche die Menschen im August 1914 erfahren hätten, wurde in kirchlichen Schriften rezipiert und noch stärker religiös überhöht.[25]

Als Beispiel für eine populär-theologische Schrift steht hier die dreiteilige Agende für Kriegszeiten von Karl Arper und Alfred Zillessen, die im Jahr 1914 erschien (Quellen 3–5). Damit gelangte die theologische Interpretation des Krieges auch in eine kirchliche Gattung, die fast seit Anbeginn des Christentums die Frömmigkeitspraxis und das Identitätsbewusstsein von Gemeinden wesentlich prägte. Die Unionsbestrebungen im deutschen Protestantismus im 19. Jahrhundert, die zunächst zur Vorbereitung einer evangelisch-deutschen Nationalkirche gedacht gewesen waren, hatten letztlich zur Bildung einer dritten evangelischen Konfession neben den Reformierten und Lutheranern geführt. In den sich formierenden evangelischen Landeskirchen wurde eine Vielzahl von Gottesdienstordnungen verfasst und wieder verworfen.[26] Jede Landeskirche besaß schließlich ihre eigene Agende, die verbindlich war.[27]

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs stellte sich den Landeskirchen das Problem, dass die bisher genutzten Agenden für die Kriegszeiten nicht mehr als geeignet erschienen. Der Krieg, der das Denken, Handeln und die Frömmigkeit der Menschen von nun an bestimmte, kam in ihnen nicht genügend vor. Viele Landeskirchen beharrten trotzdem auf der Beibehaltung ihrer jeweils eigenen Agende. Sie gaben ihren Pfarrern noch zusätzliches Material (ausgewählte Lieder, Gebete, Vorschläge zur Gottesdienstgestaltung) an die Hand. Bereits kurz nach Kriegsbeginn erschien die Agende für Kriegszeiten, die zwar nicht offiziell von den Landeskirchen anerkannt, deren Gebrauch aber vielerorts als Ergänzung zur vorhandenen Agende empfohlen wurde.[28] Somit ist anzunehmen, dass die Gottesdienstabläufe und die Texte der Agende vielen Gläubigen zumindest teilweise bekannt waren. Die ausgewählten Quellenteile zeigen, wie Form und Inhalt des Gottesdienstes unter Rückgriff auf biblische und protestantische Traditionen, aber auch auf säkulare Propaganda, in den Dienst des Krieges gestellt wurden.

Im Vorwort der Kriegsagende betonten die Verfasser, dass die Gottesdienstordnungen und Gebete in allen deutschen evangelischen Landeskirchen, also in lutherischen, reformierten und unierten, zu gebrauchen seien.[29] So sollte innerhalb der verschiedenen Konfessionen der deutschen evangelischen Kirche eine einheitliche Liturgie geschaffen werden, die sinnbildlich für die Einheit des deutschen Volkes stand, die Kaiser Wilhelm II. als »Burgfrieden« zu Beginn des Krieges verkündet hatte.[30] Die Gottesdienstabläufe waren deshalb knapp gehalten: Es fehlten Ordnungen für das Abendmahl, die noch am ehesten Aufschlüsse über die konfessionelle Prägung geben konnten. Die abgedruckte Gottesdienstordnung (Quelle 3) zitiert mit dem Titel »Ein einig Volk von Brüdern« den Schweizer Rütlischwur. Nicht nur die eigens für die Kriegszeit verfassten Gebete propagierten den »Burgfrieden« im deutschen Volk, sondern auch die vorgeschlagenen Bibelstellen wurden daraufhin interpretiert (z.B. Eph 4,3–6).

Ein wesentlicher Teil des evangelischen Gottesdienstes war seit jeher der Gemeindegesang: Er bestärkte nicht nur das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Singenden, sondern wurde seit der Reformation auch zur Polemik genutzt.[31] Die Agende von Arper und Zillessen nahm diese Tradition auf. Das von Richard Zoozmann verfasste Lied »Mächtiger Führer und Füger im Himmel dort oben« (Quelle 6) kommentierte die ersten großen Schlachten und militärischen Erfolge des deutschen Heeres in Belgien und Lothringen. Zoozmann komponierte keine eigene Melodie für seinen Text, sondern bediente sich (wie schon zahlreiche Autoren von Liedtexten der Reformationszeit) dem Kontrafakturverfahren: Die Melodie »Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren« von Joachim Neander war seit dem 17. Jahrhundert eines der Kernlieder der evangelischen Gesangbücher. Die Wahl einer alten evangelischen Weise kann als Ausdruck der Verbundenheit der deutschen evangelischen Christen untereinander und mit dem Erbe Luthers verstanden werden. Der Text des Liedes vertiefte dieses Verständnis. Darin erschien Gott als »Führer und Füger im Himmel«[32], der die Weltgeschicke lenkte. Zugleich wurde auf die Gründung des deutschen Reiches 1871 als Ausdruck des göttlichen Willens verwiesen.[33] Die Unschuld des deutschen Volkes am Kriegsausbruch sowie die »Mißgunst und Bosheit«[34] der Kriegsgegner wurden betont. Während also die innerdeutschen Differenzen zwischen den Konfessionen und Parteien behoben sein sollten, wurden die Differenzen zu den Kriegsgegnern auch durch den Gesang stärker im Bewusstsein der Gemeinde implementiert. Ergänzend wurde das Lied »Gottlob, es ist erschollen« von Rudolf Alexander Schröder in diese Quellensammlung aufgenommen (Quelle 7). Dabei handelt es sich um eine Nachdichtung, die Schröder von Paul Gerhardts gleichnamigem Lied, das zum Ende des Dreißigjährigen Krieges entstanden war, angefertigt hatte.[35] Im Vergleich der beiden Lieder lässt sich erkennen, dass Schröder zwar durch Gerhardts Text inspiriert worden war, allerdings auch wesentlich von dessen theologischen Ideen abwich: Hatte Gerhardt den Krieg als Strafe Gottes für den sündigen Menschen verstanden und den Friedensschluss nicht als eine obrigkeitliche Glanzleistung, sondern allein als göttliche Gnade interpretiert, verstand Schröder den Krieg als göttliche Offenbarung und sah das deutsche Volk als Ausführer des göttlichen Willens. Im Zentrum des Liedes stand der Satz »Das Reich, das Reich, es muss bestehn « – bei Schröder ging es also um den Erhalt der deutschen Nation, die mit Gottes Hilfe den Krieg gewinnen sollte.[36]

Auch in den Gebetstexten der Agenden finden sich diese Gedanken (vgl. v.a. Quelle 5), die mit Zitaten aus Liedern der Reformationszeit (Martin Luther; Paul Gerhard usw.) illustriert sind. Somit wurde auch in den Gebeten die enge Verbindung zur protestantischen Tradition gesucht. Diese betonten zusätzlich die Sündhaftigkeit der Menschen vor Gott. Als »Grundsünde« wurde die Uneinigkeit des deutschen Volkes vor dem Krieg verstanden, die durch Klassen, Parteien und die unterschiedlichen Konfessionen entstanden war. Die Spaltung des deutschen Volkes habe gleichzeitig zu einer Entfernung der Menschen von Gott geführt. Im Kriegsausbruch habe Gott diese Spannungen überwunden, weil das deutsche Volk, trotz aller sittlichen und moralischen Fehler, das von Gott erwählte Volk in Europa sei. Der Krieg wurde als Gottes Gericht betrachtet, in dem Gott als Lenker der Weltgeschichte auftrat und Recht über die Völker sprach. Deutschland als neues erwähltes Volk, als Nachfolger des biblischen Israels, könne sich der besonderen Unterstützung Gottes sicher sein. Deutsche Regierung und Heeresleitung seien von ihm selbst eingesetzt worden, ihr Handeln im Krieg sei also gottgewollt und gerecht. Die Deutschen trügen keine Schuld am Kriegsausbruch, sondern litten vielmehr unter den Verleumdungen der Kriegsgegner und seien bereit, sich für ihr Vaterland zu opfern. Problematisiert wurde auch, dass die kriegführenden Staaten zwar fast alle äußerlich ebenfalls christlich geprägt seien, dass aber das wahre Christentum bei den Gegnern gerade nicht zum Vorschein käme. Die angebliche Unsittlichkeit, oft auch die falsche Konfession der Kriegsgegner wurde proklamiert (vgl. Quellen 4 und 5).[37]

Formal und inhaltlich zielte die Kriegsagende darauf ab, den von Kaiser Wilhelm propagierten Burgfrieden auch im kirchlichen Umfeld zu festigen. Sie sollte ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl unter den deutschen Protestanten stiften, das sich im gemeinsamen Gottesdienstfeiern, Singen und Beten manifestierte. Zugleich wirkte die Agende v.a. durch ihre Texte als theologisch begründete Abgrenzung gegenüber den Kriegsgegnern. Außer dem Burgfrieden und der Distanzierung von den Kriegsgegnern finden sich in ihr weitere theologische Topoi, die für die Theologie des Ersten Weltkriegs typisch sind.[38] Ständige Verweise auf das Leiden und die Opferbereitschaft der deutschen Nation ließen Parallelen zur biblischen Passionsgeschichte erkennen. Jesus galt als Vorbild, der durch seine Leidensbereitschaft und das Opfer seines Lebens zum Schluss doch den Sieg errungen hatte. Daneben waren es vor allem eschatologische und apokalyptische Gedanken, die zur Deutung des Geschehens herangezogen wurden. Jesus hatte in seiner apokalyptischen Rede (Mk 13par.) »Kriege und Wehgeschrei« vorausgesagt, die vor dem Anbruch einer neuen Zeit kommen mussten. Der Erste Weltkrieg wurde oftmals als Beginn dieser »Endzeit« gedeutet. Das sich ankündigende »Gottesreich« wurde als politisches Weltreich verstanden, dessen Verwirklichung durch Deutschland vorangetrieben werden sollte.[39] Damit wurde die von Albrecht Ritschl geprägte Reich-Gottes-Theologie, wonach sich das Reich Gottes in der Welt durch ein ethisch und sittlich korrektes Verhalten manifestieren sollte, mit nationalpolitischen Vorstellungen durchmischt.[40] Das »Gottesreich« sollte sich, überspitzt ausgedrückt, nach dem Krieg in Europa ausbreiten und durch den deutschen Nationalstaat regiert werden.[41] Diese heilsgeschichtliche Deutung des Krieges und der Nation wurde von nahezu allen protestantischen Theologen, standen sie in der liberalen oder der positiven Tradition, übernommen.


III. Resümee: Sakralisierung von Krieg und Nation

Die ausgewählten Quellenstücke zeigen, dass sich die Reden des Kaisers zu Kriegsbeginn einer religiös gefärbten Rhetorik bedienten. Der Kaiser zeigte sich darin als protestantischer Herrscher der Deutschen, der sich einer höheren Gewalt unterstellte und den göttlichen Willen ausführte. Seine Reden sollten nicht nur die Bevölkerung für den Krieg begeistern, sie sollten zudem als Brücke zu den Katholiken, Juden und der SPD dienen, den Gruppen also, mit denen die Zusammenarbeit im Reich bisher problematisch verlaufen war. Motive aus diesen Reden, die den Mythos vom Augusterlebnis wesentlich prägten, wurden z.B. in der Liturgie aufgenommen. Gerade Gottesdienstordnungen erwiesen sich als traditionelle Medien, die zur (protestantischen) Identitätsstiftung beitrugen: Im Gottesdienst wurde die Deutung des Krieges nicht nur in Predigten vermittelt, sondern die Gemeinde wurde durch das gemeinsame Singen und Beten aktiv in den Deutungsprozess einbezogen. In der vorgestellten Agende wurden Themen wie der Neid der Kriegsgegner und die Unschuld der Deutschen am Krieg, die Opferbereitschaft der Bevölkerung, der »Burgfrieden« sowie der Hinweis darauf, dass eine von der Kirche geprägte Frömmigkeit entscheidend zum Ausgang des Krieges beitragen konnte, rezipiert und mit einer theologischen Interpretation zusätzlich aufgeladen.

Wesentliches Element sowohl der weltlichen als auch der geistlichen Texte war die Konstruktion einer einheitlichen deutschen Nation. Die Uneinigkeit des Volkes war von den Theologen als »Grundsünde« der Deutschen gegenüber Gott identifiziert worden, die durch den »Burgfrieden« zu Kriegsbeginn aufgehoben worden war. Um die Einigkeit der Nation zu begründen, wurde nicht nur auf die deutsche Geschichte rekurriert (Freiheitskriege; deutsche Reichsgründung), sondern gerade auch auf biblische Texte. Die Nation wurde mit dem biblischen Volk Israel beinahe gleichgesetzt, so dass nicht zuletzt die göttliche Erwählung als Legitimation für das Handeln im Krieg herangezogen werden konnte.[42] Damit verbunden war die Sakralisierung des Krieges, der zur Aufrichtung eines Gottesreiches in der Welt führen sollte. Unter Aufnahme des »Reich-Gottes-Gedankens« wurden Elemente des Kulturprotestantismus ebenfalls in die Deutung des Kriegs einbezogen: Eine Verbindung zwischen Kultur, Nation und Religion wurde somit hergestellt. Die Vermischung der Sprachmuster und die besondere Deutung des Krieges in den Ansprachen des Kaisers und in der Liturgie hatten zwei Funktionen: Erstens wurde dem Volk durch unterschiedliche Medien die Sinnhaftigkeit des Krieges vermittelt. Auch der Tod von Soldaten und das Hungern in der Heimat erschienen nun nicht mehr als sinnlos, sondern sogar als Gottes Wille, der zu einem großen Ziel führen sollte. Zweitens wollte auch die protestantische Kirche vom Krieg profitieren, indem sie die Motive aus der politischen Propaganda aufnahm: Sie fungierte somit als moralische Instanz und als wichtigste Interpretatorin des Krieges. Damit, so schienen die Kirchenleitungen zu hoffen, konnte die protestantische Kirche ihren Platz im Leben der Menschen wieder stärken.[43] Die kirchlichen Medien gaben dem Krieg einen Sinn, Legitimation und boten zudem Seelsorge an: Bei Soldatenbeerdigungen auf dem Feld und bei Trauerfeiern in der Heimat waren es die Pfarrer, die von Soldaten und ihren Angehörigen hinzugezogen wurden, und die nun als höchste Autorität eine Deutung des Geschehens geben und Trost spenden sollten.[44]

Das weltliche und protestantische deutsche populäre Schrifttum der Jahre 1914–1918 steht beispielhaft für das wechselhafte Verhältnis von Staat und Kirche, das sich in der Krisenzeit trotz institutioneller Trennung verdichtete und nach dem Kriegsende neu verhandelt werden musste, weil die meisten Ideen aus der politisch und nationalistisch motivierten Kriegstheologie gescheitert waren. Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch für die deutsche katholische Theologie des Ersten Weltkriegs machen.[45] Viele der besprochenen Merkmale (Sakralisierung von Nation und Krieg; Bewusstsein für die Erwählung als »Volk Gottes«; Abwertung des Kriegsgegners als vor Gott minderwertig; Zuspitzung dieser Gedanken zu Beginn des Krieges) sind ebenfalls in der Theologie anderer europäischer, christlich geprägter Staaten während des Ersten Weltkriegs zu finden. Hier wurzelte die Sakralisierung des Krieges auch im Nationalismus des 19. Jahrhunderts und lässt die enge Verflechtung von Politik und Kirche erkennen.[46]

Blickt man auf weitere Traditionslinien seit der Frühen Neuzeit, so stechen Ähnlichkeiten zwischen den von Henning P. Jürgens diskutierten Friedenspredigten und -liedern aus der Frühen Neuzeit förmlich ins Auge. Auch in diesen Texten aus dem 16. und 17. Jahrhundert wurde dem Krieg – im Beitrag von Jürgens aus Anlass der Friedensschlüsse – eine religiös konnotierte Bedeutung zugemessen. Während der Krieg hier jedoch stärker als Strafe und Gericht Gottes interpretiert und die Gottesbeziehung des Einzelnen thematisiert wurde, veränderte sich dieses Verständnis im 19. Jahrhundert und kulminierte in den Kriegspredigten des Ersten Weltkriegs: Die deutsche Nation wurde sakralisiert und stand im Mittelpunkt der Überlegungen der Geistlichen. Der Krieg war nun in die göttliche Heilsgeschichte eingeschrieben und wurde als ein gerechter Krieg betrachtet, den das deutsche Volk im Auftrag Gottes führte.


Anmerkungen

  1. Vgl. dazu in Ansätzen auch: Herfried MÜNKLER, Der Große Krieg. Die Welt 1914–1918, Berlin 2013, S. 229–241; Karl HAMMER, Deutsche Kriegstheologie (1870–1918), München 1971, S. 37–49.
  2. Vgl. Friedrich Wilhelm GRAF, Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur, Bonn 2004, S. 119.
  3. Vgl. zu Religion und Nation im Deutschen Reich auch: Heinz Gerhard HAUPT / Dieter LANGEWIESCHE, Nation und Religion – zur Einführung, in: Dies. (Hg.), Nation und Religion in der deutschen Geschichte, Frankfurt u.a. 2001, S. 11–29; Gangolf HÜBINGER, Sakralisierung der Nation und Formen des Nationalismus im deutschen Protestantismus, in: Gerd KRUMEICH / Hartmut LEHMANN (Hg.), »Gott mit uns«. Nation, Religion und Gewalt im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Göttingen 2000, S. 233–247.
  4. Vgl. zu Preußen grundlegend: Christopher CLARK, Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600–1947, München 2007.
  5. Vgl. Hans-Peter ULLMANN, Politik im Deutschen Kaiserreich 1871–1918, München 1999, S. 7.
  6. Vgl. Thomas NIPPERDEY, Deutsche Geschichte 1866–1918. Erster Band: Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1990, S. 291–334. Nicht weiter eingegangen werden kann im Folgenden auf die soziale Frage, vgl. S. 335–373.
  7. Hans-Ulrich WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte Band 3. Von der »Deutschen Doppelrevolution« bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges. 1849-1914, München 1995, S. 1038–1066. S. 1236–1243. Vgl. NIPPERDEY, Deutsche Geschichte 1, S. 798
  8. WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 3, S. 1045–1050.
  9. Vgl. ULLMANN, Politik im Deutschen Kaiserreich, S. 28.
  10. Vgl. ausführlicher zur Wilhelminischen Gesellschaft: WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 3; NIPPERDEY, Deutsche Geschichte 1; kürzer und in Lehrbuchform: Anselm DOERING-MANTEUFFEL, Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815–1871, München 1993; ULLMANN, Politik im Deutschen Kaiserreich.
  11. Vgl. zum Kulturprotestantismus: Gangolf HÜBINGER, Kulturprotestantismus und Politik, Tübingen 1994.
  12. Vgl. Nikolaus BUSCHMANN, Auferstehung der Nation? Konfession und Nationalismus vor der Reichsgründung in der Debatte jüdischer, protestantischer und katholischer Kreise, in: HAUPT / LANGEWIESCHE, Nation und Religion in der deutschen Geschichte, S. 334–368; Frank BECKER, Konfessionelle Nationsbilder im Deutschen Kaiserreich, in: HAUPT / LANGEWIESCHE, Nation und Religion in der deutschen Geschichte, S. 389–314.
  13. Seit jeher wurden Juden mit Misstrauen bedacht und verfolgt. In der Gesellschaft und Wirtschaft blieben sie auch im Deutschen Reich benachteiligt. Liberale jüdische Bildungsbürger versuchten um die Jahrhundertwende zu zeigen, dass Judentum und deutsche Nation miteinander zu vereinbaren seien und die Juden gegenüber dem Kaiser loyal waren. Trotzdem war gerade im Protestantismus ein starker Antisemitismus nach wie vor verbreitet. Vgl. BUSCHMANN, Auferstehung der Nation, S. 368–383. Auf die unterschiedlichen Formen und Ausprägungen des Judentums, insbesondere den Zionismus, sowie die spezielle Situation der Juden im Deutschen Kaiserreich kann an dieser Stelle nicht genauer eingegangen werden. Vgl. einführend: NIPPERDEY, Deutsche Geschichte 1, S. 396–413. Zu Juden im Ersten Weltkrieg: Sarah PANTER, Jüdische Erfahrungen und Loyalitätskonflikte im Ersten Weltkrieg, Göttingen 2014. Vgl. als Überblick zur Geschichte der Juden im Kaiserreich mit weiterführenden Literaturangaben: Steven M. LOWENSTEIN u.a. (Hg.), Deutsch-Jüdische Geschichte in der Neuzeit III. Umstrittene Integration 1871–1918, München 1997. Darin besonders zu den Juden im Ersten Weltkrieg: Peter PULZER, Der Erste Weltkrieg, in: ebd., S. 356–380.
  14. Vgl. DOERING-MANTEUFFEL, Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815–1871, S. 24–31.
  15. Vgl. BECKER, Konfessionelle Nationsbilder, S. 400. Vgl. Wolfang J. MOMMSEN, Die nationalgeschichtliche Umdeutung der christlichen Botschaft im Ersten Weltkrieg, in: KRUMEICH / LEHMANN, »Gott mit uns«, S. 252.
  16. BECKER, Konfessionelle Nationsbilder, S. 392–418.
  17. Ebd., S. 399.
  18. Vgl. weiterführend zu den Kulturkämpfen: Christopher CLARK, Kulturkampf in Europa im 19. Jahrhundert, Leipzig 2003; Manuel BORUTTA, Antikatholizismus. Deutschland und Italien im Zeitalter der europäischen Kulturkämpfe, Göttingen 22011.
  19. Vgl. MÜNKLER, Der große Krieg, S. 222–229; Jörn LEONHARD, Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs, München 2014, S. 127–146.
  20. Vgl. MÜNKLER, Der große Krieg, S. 232.
  21. Vgl. zur doppelten Bedeutung des Begriffs »Opfer« im Deutschen (Übersetzung sowohl des lat. victima als auch sacrificium): MÜNKLER, Der große Krieg, S. 225–229.
  22. Vgl. HAMMER, Deutsche Kriegstheologie, S. 52f.
  23. Vgl. Wilhelm PRESSEL, Die Kriegspredigt 1914–1918 in der evangelischen Kirche Deutschlands, Göttingen 1967, S. 11–28.
  24. Vgl. MÜNKLER, Der große Krieg, S. 234.
  25. Vgl. MOMMSEN, Die nationalgeschichtliche Umdeutung, S. 252–254.
  26. Vgl. als Überblick dazu: Alfred NIEBERGALL, Art. Agende 18. Von der Französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg, in: Theologische Realenzyklopädie 2 (1978), S. 55–66.
  27. Zu Liturgiereformen im Kaiserreich vgl. Konrad KLEK, Erlebnis Gottesdienst. Die liturgischen Reformbestrebungen um die Jahrhundertwende unter der Führung von Friedrich Spitta und Julius Smend, Göttingen 1996; zum Ersten Weltkrieg: Ders., Das Reformationsjubiläum 1917 im Spiegel der Zeitschriften »Siona« und »Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst«, in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 55 (2016), im Erscheinen.
  28. Zum Gebrauch der Kriegsagende vgl. Martin SCHIAN, Die evangelische Kirche in der Heimat 1914–1918, Berlin 1925, S. 111–119. Schian verweist auch auf Kritik, v.a. an den vorgeschlagenen »Vaterländischen Worten.« Bereits 1910 hatte Karl Arper gemeinsam mit Richard Bürkner eine Liturgien-Sammlung für evangelische Gottesdienste herausgegeben, die 1917 in überarbeiteter Form als Evangelisches Kirchenbuch erschien. Diese nicht nur auf die Kriegszeit ausgerichtete »Privatagende« wurde zwar nicht offiziell in den Gemeinden eingeführt, erfreute sich aber trotzdem einer großen Beliebtheit. Vgl. Wolfgang HERBST, Evangelischer Gottesdienst. Quellen zu seiner Geschichte, Göttingen 1992, S. 224. Teile bei Herbst abgedruckt: S. 224–230.
  29. Vgl. Karl ARPER / Alfred ZILLESSEN, Agende für Kriegszeiten, Göttingen 1914, S. III–VII.
  30. Vgl. zum innerevangelischen Burgfrieden: SCHIAN, Kirche in der Heimat, S. 28–32.
  31. Vgl. zur Nutzung des Kirchenliedes als Propaganda z.B.: Rebecca Wagner OETTINGER, Music as Propaganda in the German Reformation, Ashgate 2001. Vgl. zur Funktion von Kirchenliedern und Predigten auch den Beitrag von Henning Jürgens.
  32. Vgl. Richard ZOOZMANN, Gebet vor der Schlacht, in: Durchhalten! Entwürfe, Gebete, Gedichte und Vaterländische Worte für Kriegsgottesdienste. Der Agende für Kriegszeiten 3. Teil. Mit Registern über alle drei Teile, hg. von Karl ARPER / Alfred ZILLESSEN, Göttingen 1915, S. 59f, Strophe 1.
  33. Vgl. ebd., Strophe 2.
  34. Vgl. ebd., Strophe 4.
  35. Vgl. zu Text und Einordnung des Paul Gerhardt-Liedes den Beitrag von Henning Jürgens.
  36. Das Um- und Neudichten von Liedern und Gedichten, die den Krieg zum Thema hatten, erfreute sich in den Jahren 1914–1918 einer großen Beliebtheit. Nahezu alle Zeitschriften druckten regelmäßig solche, mehr oder weniger gelungenen und kunstvoll gereimten Texte ab. Vgl. zu geistlichen Dichtungen z.B. die entsprechenden Jahrgänge der liturgischen Zeitschriften Siona und der Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst. Mit freundlichem Dank an Prof. Konrad Klek für diese Hinweise. Eine systematische Untersuchung dieser Lieder steht bisher noch aus.
  37. Besonders beliebtes Beispiel war Frankreich, das entweder als laizistischer Staat oder als überwiegend katholische Nation in die Kritik geriet. Auch England wurde gern genannt. Vgl. PRESSEL, Kriegspredigt, S. 127–134. Vgl. als Überblick zur historischen Gattung der politischen Gebete auch: Manfred HANISCH, Zwischen Fürbitte und Obrigkeitsvergottung. Politische Gebete von 1500–1918, in: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 48 (1988), S. 43–190, bes. zu politischen Gebeten in den Kriegen im 19. Jahrhundert und im Kaiserreich: S. 79–116.
  38. Vgl. allgemein (aber veraltet!): HAMMER, Deutsche Kriegstheologie, S. 94–174.
  39. Vgl. dazu Klaus VONDUNG, Geschichte als Weltgericht. Genesis und Degradation einer Symbolik, in: Ders., Kriegserlebnis. Der Erste Weltkrieg in der literarischen Gestaltung und symbolischen Deutung der Nation, Göttingen 1980, S. 62–84. Vgl. PRESSEL, Kriegspredigt, S. 159–174. Vgl. MOMMSEN, Die nationalgeschichtliche Umdeutung, S. 252–254.
  40. Vgl. Ritschls Gedanken z.B. in: Albrecht RITSCHL, Unterricht in der christlichen Religion. Studienausgabe nach der 1. Auflage von 1875 nebst den Abweichungen der 2. und 3. Auflage. Eingeleitet und herausgegeben von Christine AXT-PISCALAR, Tübingen 2002, v.a. § 6 (14–16) und 10 (19–21).
  41. Vgl. auch GRAF, Wiederkehr der Götter, S. 126f. Die häufigen eschatologischen Ausblicke sieht Graf u.a. darin begründet, dass im Krieg meist Christen gegen Christen kämpfen mussten. Die Trennung zwischen weltlicher Ebene und einem Gottesreich in der Zukunft ermöglichte es, diese Problematik aufzulösen, indem die Einheit der Christen in einem Reich, das »nicht von dieser Welt« sein sollte, wieder hergestellt wurde.
  42. Vgl. zur religiösen Überhöhung der Nation weiterführend die Beiträge im Sammelband HAUPT / LANGEWIESCHE, Nation und Religion in der deutschen Geschichte. Besonders: BECKER, Konfessionelle Nationsbilder; Frank-Michael KUHLEMANN, Konfessionalisierung der Nation? Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Heinz-Gerhardt HAUPT / Dieter LANGEWIESCHE (Hg.), Nation und Religion in Europa. Mehrkonfessionelle Gesellschaften im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt, New York 2004, S. 27–63; GRAF, Die Wiederkehr der Götter, S. 102–132.
  43. Vgl. z.B. das Protokoll der Herbstkonferenz der Geistlichen im Dekanat Herborn vom 12. November 1914, in: Zentralarchiv der EKHN, Best. 92, Dekanat Herborn, Nr. 40, Pfarrkonferenzen, insbesondere Konferenzarbeiten, 1907–1924, S. 4–23.
  44. Vgl. GRAF, Wiederkehr der Götter, S. 102–132, bes. S. 125f.
  45. Vgl. Heinrich MISSALLA, »Gott mit uns.« Die deutsche katholische Kriegspredigt 1914–1918, München 1968; Martin LÄTZEL, Die Katholische Kirche im Ersten Weltkrieg. Zwischen Nationalismus und Friedenswillen, Regensburg 2014.
  46. Vgl. als Überblick dazu: Martin GRESCHAT, Der Erste Weltkrieg und die Christenheit. Ein Überblick, Stuttgart 2014.