Gesetz vom 9. Dezember 1905 zur Trennung der Kirchen und des Staates

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Religion und Politik in Frankreich: Von der Französischen Revolution bis zur Dritten Republik

Einleitung

Nachdem bereits im Juli 1905 die Abgeordnetenkammer sich mehrheitlich für das Trennungsgesetz ausgesprochen hatte, stimmte auch der Senat Anfang Dezember zu. Damit war die gesetzliche Trennung der Kirchen (im Plural!) und des Staates geregelt. Seit dem Inkrafttreten wurde das Trennungsgesetz mehrfach leicht geändert; das ihm zugrundeliegende Prinzip bleibt aber nach wie vor der Laizismus.

Textquelle

ERSTER TITEL: GRUNDSÄTZE

Erster Artikel

Die Republik sichert die Freiheit des Gewissens. Sie garantiert die freie Ausübung der Religionen mit keinen anderen als den im Folgenden im Interesse der öffentlichen Ordnung festgesetzten Einschränkungen.

Artikel 2

Die Republik anerkennt, entlohnt und subventioniert keine Religion. Folglich werden vom 1. auf die Verkündung des vorliegenden Gesetzes folgenden Januar an alle auf die Ausübung von Religionen bezogenen Ausgaben aus den Etats des Staates, der Departements und der Kommunen gestrichen. In die genannten Etats können jedoch Ausgaben aufgenommen werden, die sich auf die Dienste der Seelsorge beziehen und die für die Sicherung der freien Religionsausübung in öffentlichen Einrichtungen wie Gymnasien, Sekundarschulen, Krankenhäusern, Heilanstalten und Gefängnissen bestimmt sind.

Die öffentlichen Religionseinrichtungen werden abgeschafft, unter der Einschränkung der in Artikel 3 formulierten Bestimmungen.


TITEL III: RELIGIONSGEBÄUDE

Artikel 12

Die Gebäude, die der Nation zur Verfügung gestellt wurden und die, kraft des Gesetzes vom 18. Germinal, Jahr X, der öffentlichen Ausübung der Religionen oder der Unterbringung ihrer Geistlichen dienen (Kathedralen, Kirchen, Kapellen, Tempel, Synagogen, Erzbischofssitze, Bischofssitze, Pfarrhäuser, Seminare), sowie ihre Grundstücke / Nebengebäude und die Ausstattungsgegenstände, mit denen sie zu dem Zeitpunkt versehen waren, zu dem die besagten Gebäude den Religionen übergeben wurden, sind und bleiben Eigentum des Staates, der Departements, der Kommunen.

Für diese, wie für die nach dem Erlass des Gesetzes vom 18. Germinal, Jahr X, [übergebenen] Gebäude, deren Eigentümer der Staat, die Departements und die Kommunen wären, darin eingeschlossen die protestantischen theologischen Fakultäten, wird entsprechend der Bestimmungen der folgenden Artikel verfahren.


TITEL V: RELIGIONSAUFSICHT

Artikel 25

Die Versammlungen zur Zelebration einer Religion, die in Räumlichkeiten abgehalten werden, die einer religiösen Vereinigung gehören oder ihr zur Verfügung gestellt sind, sind öffentlich. Sie sind von den Formalitäten des Artikels 8 des Gesetzes vom 30. Juni 1881 befreit, bleiben aber im Interesse der öffentlichen Ordnung der Überwachung durch die Autoritäten unterstellt. [...]

Eine einzige Erklärung reicht für die Gesamtheit der ständigen, regelmäßigen oder außerplanmäßigen Versammlungen aus, die im Jahr stattfinden werden.

Artikel 26

Es ist verboten, politische Versammlungen in den Räumlichkeiten abzuhalten, die normalerweise der Ausübung einer Religion dienen.

Artikel 27

Die Zeremonien, Prozessionen und andere äußerliche Manifestationen einer Religion, werden in Übereinstimmung mit den Artikeln 93 und 97 des Gemeindegesetzes vom 5. April 1884 geregelt.

Das Glockengeläut wird durch eine Gemeindeverordnung geregelt, und, im Falle einer Uneinigkeit zwischen dem Bürgermeister und dem Vorsitzenden oder Leiter der religiösen Vereinigung, durch eine Verordnung des Präfekten.

Die durch Artikel 43 des gegenwärtigen Gesetzes vorgesehene Regelung der öffentlichen Verwaltung bestimmt die Bedingungen und die Fälle, in denen ziviles Geläut stattfinden darf.

Artikel 28

Es ist künftig verboten, irgendein religiöses Zeichen oder Emblem an öffentlichen Gebäuden oder jeglicher öffentlicher Stätte zu errichten oder anzubringen, mit Ausnahme der der Religion dienenden Gebäude, Grabstätten auf Friedhöfen, Grabmonumente sowie Museen oder Ausstellungen.

Artikel 30

Gemäß den Bestimmungen des Artikels 2 des Gesetzes vom 28. März 1882 darf religiöser Unterricht Kindern im Alter zwischen sechs und dreizehn Jahren, die in öffentliche Schulen eingeschrieben sind, nur außerhalb der Schulzeiten erteilt werden.

Gegen Geistliche einer Religion, die gegen diese Vorschriften verstoßen, werden die Bestimmungen des Artikels 14 des oben erwähnten Gesetzes zur Anwendung gebracht.

Artikel 31

Mit einer Geldbuße von 60 bis 200 Francs und mit einer Gefängnishaft von sechs Tagen bis zwölf Monaten oder nur mit einer dieser beiden Strafen werden diejenigen bestraft, die, sei es durch Tätlichkeiten, Gewalt oder Drohungen gegen eine Person, sei es, indem sie sie fürchten lassen, ihre Arbeitsstelle zu verlieren oder sich selbst, ihre Familie oder ihren Besitz einem Schaden auszusetzen, [diese Person] dazu bringen, eine Religion auszuüben oder auf ihre Ausübung zu verzichten, einer religiösen Vereinigung anzugehören oder aufzuhören ihr anzugehören, sich an den Kosten einer Religion zu beteiligen oder darauf zu verzichten, sich an ihnen zu beteiligen.

Artikel 32

Mit denselben Strafen werden diejenigen bestraft, die die Ausübungen einer Religion durch Störungen oder durch in der zu diesen Ausübungen dienenden Räumlichkeit verursachte Unordnung verhindern, verzögern oder unterbrechen.

Artikel 34

Jeder Geistliche einer Religion, der an den Orten, an denen die Religion ausgeübt wird, öffentlich durch das Abhalten von Reden oder Lesungen, das Verteilen von Schriften oder das Anbringen von Plakaten einen mit einer öffentlichen Aufgabe beauftragten Bürger beleidigt oder diffamiert, wird mit einer Geldbuße von 500 bis 3.000 Francs und zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat bis einem Jahr oder nur mit einer der beiden Strafen bestraft.

Die Wahrheit der Diffamierung kann, sofern sie in Verbindung mit den Ämtern [der diffamierten Person] steht, vor einem Strafgericht in den durch Artikel 52 des Gesetzes vom 29. Juli 1881 vorgesehenen Formen festgestellt werden. Die durch Artikel 56 desselben Gesetzes erlassenen Vorschriften gelten für die Vergehen dieses und des folgenden Artikels.

Artikel 35

Wenn eine an den Orten, an denen die Religion ausgeübt wird, öffentlich gehaltene Rede oder eine ausgehängte oder verteilte Schrift eine direkte Aufforderung enthält, sich der Ausführung der Gesetze oder rechtlichen Schritten der öffentlichen Autorität zu widersetzen oder darauf abzielt, einen Teil der Bürger gegen die anderen aufzuwiegeln oder zu bewaffnen, wird der Geistliche der Religion, der sich dafür als schuldig erweist, mit einer Gefängnishaft von drei Monaten bis zwei Jahren bestraft, ohne Einschränkung der Strafen für die Mittäterschaft in dem Fall, dass auf die Aufforderung ein Aufstand, eine Revolte oder ein Bürgerkrieg folgt.

Bibliographie

Loi du 9 Décembre 1905 Concernant la Séparation des Eglises et de l'Etat, in: 1905, la Séparation des Eglises et de l’Etat: les Textes Fondateurs. Présentation de Dominique de Villepin, Introduction de Jean-Michel Gaillard, Textes choisis et présentés par Yves Bruley, Postface d'André Damien, Paris 2004, S. 435–448. Deutsche Übersetzung von Eveline G. Bouwers.

Die aktuelle Fassung des Gesetzes befindet sich auf Légifrance, URL: https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000000508749