Karl Arper / Alfred Zillessen, Agende für Kriegszeiten (1914): Gottesdienstordnung Nr. 5, Ein einig Volk von Brüdern

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Religion und Politik im Ersten Weltkrieg

Quellentext

[Gemeindegesang][1]

Eingangswort: Siehe, wie fein und lieblich ists, daß Brüder einträchtig beieinander wohnen. So seid fleißig, zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufs; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater unser aller, der da ist über euch allen und durch euch alle und in euch allen. (Ps. 133,1; Eph. 4,3–6)

[Gemeinde: Amen]

Bußwort: In tiefer Demut stehen wir vor unserm Gott. Wie oft haben wir doch versäumt, einander zu dienen, wie oft hat der einzelne, wie oft haben ganze Kreise und Klassen unseres Volks nur an sich gedacht und nicht an das Wohl des ganzen Vaterlandes. Das liegt jetzt schwer auf unserer Seele und wir kommen mit dieser unserer Last und bitten unsern Gott: Nimm sie von uns! Herr, sei uns Sündern gnädig! Amen.

[Gemeinde: Herr, erbarme dich unser, Christe, erbarme dich unser, Herr erbarme dich unser.][2]

Gnadenwort: So spricht der Herr: Gleichwie ich über dies Volk habe kommen lassen all dies große Unglück, also will ich auch alles Gute über sie kommen lassen, das ich ihnen verheißen habe, und will ihnen einerlei Herz und Wesen geben, daß sie mich fürchten sollen ihr Leben lang, auf daß es ihnen und ihren Kindern nach ihnen wohl gehe (Jer. 32,42.39) Ehre sei Gott in der Höhe!

[Gemeinde: Und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.][3]

Gebet vor der Schriftverlesung: Wir danken dir, unser Gott, daß die große Not, die du herbeigeführt, unser Volk einig gemacht hat, daß alle Gegensätze vergessen sind, daß einer dem andern hilft, daß jeder sich müht, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst.[4] Herr, erhalte uns diese Einigkeit in der Liebe, daß es allezeit so bleibe in unserm lieben Vaterland: einer für alle, alle für einen.[5] Amen.

[Gemeinde: Amen]

Schriftverlesung: Ps. 107 in Auswahl.

Spruch: Wir wissen, daß wir aus dem Tode zum Leben gekommen sind, denn wir lieben die Brüder. (1. Joh. 3,14) Halleluja

[Glaubensbekenntnis,[6] Gemeindegesang, Predigt]

Gebet nach der Predigt: Herr, unser Gott. Wie ein gewaltiger Sturm ist es über unser Volk gekommen und alles, was morsch und schwach ist, was eitel und faul ist, hat dein Stürmen zusammenbrechen lassen. Große Not wird kommen, Tränen werden fließen, viel Gutes wird vernichtet.[7] Aber wir wollen bei allem das Danken nicht vergessen. Wir wollen danken, daß, wo du im Sturmeswetter kamst, unser Volk innerlich stark ward. Dein Sturm hat das Volk nicht zerbrochen, sondern uns nur noch fester gemacht. Herr, wir danken dir, daß du die unselige deutsche Uneinigkeit zertrümmertest, daß wir dastehen als ein Volk mit einem Willen, mit einem tapferen opferfreudigen Mut. Wir preisen dich, daß unser Volk deinem Ruf wie ein Mann folgt, wie dem Ruf unseres Kaisers; daß es die Kraft empfing, dahinten zu lassen, was trennt, um der einen Sache willen. Wir danken dir, daß draußen vor dem Feind die Männer aus allen Volkskreisen zusammenstehen zu einem Werk, erfüllt mit einem Geist. Segne du sie und ihr Tun, schenke ihnen Kraft und Mut und Sieg. Wir danken dir, daß sich hier im Vaterlande alle Hände regen und einer dem anderen zuvorkommen möchte in werktätigem Liebesdienst. Herr, schenke uns auch hier in unserer stillen Arbeit Ausdauer und immer von neuem große Freudigkeit, daß wir alles tun, die vielen Wunden zu heilen, die ein Krieg überall schlägt. Laß unser Volk eines Sinnes bleiben, gemeinsam zu vollbringen, was die große Zeit von uns fordert, gemeinsam zu leiden, was du uns auferlegst. Wir wollen, lieber Vater, uns treu zu dir halten, und treu zu einander stehen, dann wird uns nichts überwinden können, dann wird dein Segen mit uns gehen. Amen.[8]

[Unser Vater. Segen][9]

[Gemeinde: Amen. Gemeindegesang]


Bibliographie

Gottesdienstordnung Nr. 5, Ein einig Volk von Brüdern, in: Karl ARPER / Alfred ZILLESSEN, Agende für Kriegszeiten, Göttingen 1914, S. 8f.

Vgl. Günter BRAKELMANN (Hg.), Protestantische Kriegsagenden und Kriegslyrik im Ersten Weltkrieg. Eine Dokumentation und Interpretation, Kamen 2015. Brakelmann druckt hier ausgewählte Texte aus der Kriegsagende von Arper und Zillessen ab und versieht sie mit einer allgemeinverständlichen Interpretation.


Anmerkungen

  1. In Klammern sind immer wiederkehrende Teile des Gottesdienstes nach der ersten Agende (1f.) ergänzt.
  2. Entspricht: Kyrie.
  3. Entspricht: Gloria.
  4. Vgl. Mk 12,31par.
  5. Vgl. Leitspruch der drei Musketiere und inoffizieller Wahlspruch der Schweizer Eidgenossenschaft im 19. Jahrhundert, vgl. (passim) Alexandre Dumas, d.Ä., Die drei Musketiere.
  6. Entspricht: Credo.
  7. Zur Vorstellung des Unheils als Sturm vgl. z.B. Spr 1,27; Apk 18,21 usw.
  8. Teile des Gebets sind abgedruckt in: BRAKELMANN, Protestantische Kriegsagenden, S, 10f.
  9. Es fehlen Sanctus, Hosianna und Agnus Dei, weil es sich um einen Wortgottesdienst ohne Abendmahl handelt.