Philipp Wernick, Ronnenburgisch Lob- und Danck-Opfer (1650)

Aus Konjunkturen
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Friedensrepräsentationen in der Frühen Neuzeit

Quellentext

[S. 20]:

[So …] »ist um unserer Sünde willen und um unser Väter Missetat willen«, Dan. 9,16, solche große Kriegs-Not ganze 32 Jahr nacheinander über uns kommen, dass wir sie nicht genugsam beschreiben noch erzählen können.

Solcher Jammer und Not hat nicht etwa ein Königreich oder Fürstentum, sondern ganz Deutschland betroffen, der Krieg ist aus Böhmen in Mähren, Schlesien und Ungarn, in die Pfalz, Nieder- und Obersachsen, Franken, Hessen, Thüringen, Meißen und durchs ganze Heilige Römische Reich hindurchgerissen und hat nicht nachgelassen, bis unser liebes Vaterland gar sehr verderbt und vieler Millionen Christen Blut vergossen worden.

[am Rand: Contributions-Not] Damit ich nur ein weniges von diesen erbärmlichen Wesen erzähle. So hat uns Jammer und Not betroffen bei den vielfältigen Contributionen und Kriegssteuern, die haben in unsern Lande Anno 1627 ihren Anfang gemacht, da etliche Kaiserliche Völker zur Corbsen, Grosenstein, Baldenheym und Pöltzig etliche Jahr aneinander im Winterquartier gelegen und haben nicht aufgehört, bis auf gegenwärtige Zeit, da wir hoffen, dass nunmehr dieses Jammers soll ein Ende gemacht werden, wer will das Geld zählen und ausrechnen, das die Soldaten, Freunde und Feinde, aus unserm Lande an Kriegssteuern, Discretion-Geldern[1] und Brandschatzungen bekommen haben, wenn der reiche Gott nicht wunderlich gesegnet und die liebe Hohe Obrigkeit mit gnädiger Erlassung vieler Ordinar-Steuern[2] ihre Untertanen nicht vielmals erleichtert hätte, wäre es dem Lande unmöglich gewesen, solche große Last zu tragen.

Großer Jammer und unaussprechliche Not hat uns überfallen bei unzähligen Durchzügen und Einquartierungen. Denn da wir der vielfältigen und langwierigen Einquartierungen auf diesmal geschweigen, so sind ja die vornehmsten Hauptquartiere allhier gewesen, dass wir die Generals-Personen wohl haben kennen und nennen lernen. Es hat sein Hauptquartier mit der ganzen Infanterie und Artillerie bei uns gehabt der Schwedische H. General Panir, welcher am Heiligen Ostertage Anno 1640 von Zwickau allhier ankommen und am Osterdienstag wieder aufgebrochen. […]. [drei weitere Hauptquartiere]

In großen Jammer und unaussprechliche Not, Herzens- und Todes-Angst sind wir geraten bei den feindseligen Einfällen und Plünderungen, so Anno 1631, 1632, 1633, 1634 allhier vorgegangen, da ist alles auf Leib- und Lebensgefahr gegangen. Darum sind wir von einem Ort zum andern geflohen, haben uns wie der liebe David in die Höhlen und Wälder versteckt und bald an diesem, bald an jenem Ort salviert[3] und dabei unsere Häuser ausplündern lassen, wie denn auch nicht zu vergessen die dreitägige große Plünderung, da unter den Französischen Völkern unter den Rußwurmischen Regiment[4] die Unteroffiziere und Soldaten rebellisch worden, unser Städtlein feindselig angefallen und den 26., 27. 28. März neben andern mit zufallenden Völkern gänzlich ausgeplündert, bis H. General Rose uns eine Salvi Guardi[5] zugeschickt und zwei Rädelsführer bei Gera hat enthaupten lassen. Was allda für Jammer und Not bei uns gewesen, ist nicht auszusprechen, alle unsere beweglichen Güter sind geraubt, die Kirche und Schloss samt allen Häusern ausgeplündert worden, da können wir wohl mit David sagen [am Rand: 1. Sam. 20,3]: »So wahr der Herr lebt […], es ist nur ein Schritt zwischen uns und dem Tod gewesen.«


[S. 28]:

Es hat dieser große und starke Gott seine Gerechtigkeit spüren und sehen lassen bei wunderbarer Erhaltung seiner lieben Kirchen und den reinen und kleinen Lutherischen Häuslein. Denn wie er seiner Kirchen zuruft (Jes. 41,10) »Fürchte dich nicht, ich bin mit dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott, Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.« Also hat es der gerechte und wahrhaftige Gott treulich gehalten: Denn dass ich hohen christlichen Potentaten nichts zuwider und zu nahe rede und den heilsamen Friedensschluss gebührlich in acht nehme, so ist gewiss und aus ihren eigenen Schriften offenbar, dass es weder der Papst mit seinen Jesuiten, noch die Calvinischen Lehrer und Irrgeister gut mit uns gemeint haben, ein jeder Part hat dahin getrachtet, die reine lutherische Lehre und Augsburgische Konfession möchte abgeschafft werden. Wie aber der gerechte Gott, der einige Schutzherr seiner Kirchen, der Calvinischen Lehrer böse Gedanken und der Jesuiten Anschläge zunichtegemacht und das reine lutherische Häuflein mit seiner starken Hand erhalten hat, also hat er auch die Herzen der Hohen Magnaten und Potentaten im Heiligen Römischen Reich gelenkt, dass der Passauische Vertrag aufs neue konfirmiert und der Religions- und Profan-Friede herrlich bestätigt wurden. Weil wir nun alle in Deutschland einen Gott und Vater (Mal. 2,10), und einen Meister (Matt. 23,8), einen Mittler zwischen Gott und Menschen Christum Jesum (1. Tim. 2,5), ein Wort Gottes (1. Petr. 1,25), eine Taufe (Ephes. 4,5) und ein heiliges Abendmahl haben (1. Kor. 10), so heiße[6] der Gott des Friedens, dass Papisten und Calvinisten ihre Irrtümer und Menschenlehre aus Gottes Wort erkennen, ihre Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens gefangen nehmen (2. Kor. 10,5) mit uns einig und allein den wahren Gott anrufen und ehren und Gott allein und seinen lieben Sohn Jesu Christo in dem Artikel der seligmachenden Gerechtigkeit die Ehre geben und das heilige Abendmahl nach Christi Einsetzung und hellen klaren Worten halten und gebrauchen, und also in wahrem und beständigem Glauben an Christum mit uns allen gerecht und selig werden.


[S. 41f]:

Weil nun die Menschen und insonderheit die Jugend durch das sündhafte Soldatenwesen sehr geärgert[7] und viele schädliche Laster, insonderheit aber das erschreckliche Fluchen und Gotteslästern und Ungehorsam gegen Lehrer und Prediger, Regenten, Herren und Frauen, sehr eingerissen sind, sollen alle treuen Lehrer in Kirchen und Schulen, christlichen Regenten, Eltern, Herren und Frauen selber mit einem christlichen gottseligen Leben den Anfang machen, nach den heiligen Zehn Geboten ihr Leben anstellen und also ihren Zuhörern und ihren Untertanen, Kindern und Gesinde mit löblichem und guten Exempeln fürleuchten[8]. Darauf sollen nicht allein alle Lehrer und Prediger die Leute zur Besserung ihres Lebens ernstlich anvermahnen, sondern auch die Regenten und Obrigkeiten nach dem Befehl Gottes alle Sünden und Laster ernstlich strafen und das Schwert getrost schneiden lassen, damit sie wegen ihrer Nachlässigkeit nicht den Fluch auf sich laden (Jer. 48,10).

Alle Hausväter und Hausmütter sollen ihren Fleiß anwenden, die Kinder und Gesinde zu allen Tugenden anhalten und anmahnen, die Kinder und Gesinde, welche meisten Teils des Kriegs sehr missbraucht und ganz unartig gewesen ist, sollen auch das Vierte Gebot in Acht nehmen, Eltern, Herrn und Frauen folgen, wenn sie wollen Gottes Segen haben.

[…] Darum seht wohl zu, dass ihr euch vor allen Sünden hütet, den Tag der gnädigen Heimsuchung wohl erkennt, vor allen Dingen in wahrem Glauben an Christum den innerlichen Frieden eures Gewissens wohl bewahrt und nach dem ewigen himmlischen Frieden trachtet, dabei aber den zeitlichen Frieden nicht zu Sünden und Schanden missbraucht, sondern zur Ehre Gottes, des Nächsten Nutz und unserer selbst eigenen Besserung und Erbauung […].

Bibliographie

WERNICK, Philipp, Ronnenburgisch Lob- und Danck-Opfer/. Welcher Der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit […] zu sonderlichen Lob/ Ehr und Preiß und schuldiger Danckbarkeit för den im H. Römischen Reiche gegebenen Frieden. Auff Hochlöbliche Anordnung […] Des […] Herrn Friderich Wilhelms/ Hertzogen zu Sachsen/ Jölich/ Cleve und Berg […] Am angestelten Fried- und Danckfeste den 19. Monats-Tag Augusti […] in der Christlichen Kirchen zu Ronnenburg […] in der Ampts-Predigt offeriret, Gera 1650. Digitalisat der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, URL: http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/purn/urn:nbn:de:gbv:3:1-69881-p0003-1. S. 20f, 28f, 41f.

Anmerkungen

  1. Zahlungen, die geleistet wurden, damit ein Ort verschont blieb.
  2. Normalerweise zu zahlende Steuern.
  3. Gerettet.
  4. Fränkisches Adelsgeschlecht; mehrere Mitglieder dienten als kaiserliche Kommandanten.
  5. Hier so viel wie Schutztruppe.
  6. Hier: befehle, veranlasse.
  7. Schlimmer geworden.
  8. Voranleuchten, den Weg weisen.