Religion und Politik im Osmanischen Reich: Grundlinien vom 16. bis 18. Jahrhundert

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Denise Klein

Religion und Politik im Osmanischen Reich: Grundlinien vom 16. bis 18. Jahrhundert

Einleitung

Das Verhältnis von Religion und Politik war im Osmanischen Reich nicht weniger komplex und im Wandel begriffen als in den christlichen Staaten Europas der Frühen Neuzeit und Neuzeit. Anders als in der Forschung zu Zentral- und Westeuropa bildete das Thema jedoch lange keinen Schwerpunkt osmanistischer Forschung. Inspiriert von der Annales-Schule und beflügelt von den Möglichkeiten, die sich angesichts der reichen aber kaum erschlossenen Archivbestände aus osmanischer Zeit boten, erweiterte sich die zuvor vornehmlich politikgeschichtlich ausgerichtete Forschung zum Osmanischen Reich seit den 1970er Jahren um die Analyse wirtschaftlicher und sozialer Konfigurationen. Religion wurde in dem Kontext kaum thematisiert. Fragen zur Rolle von Religion in Staat und Gesellschaft überließ man entweder islamischen Theologen oder Historikern, die sich auf die verschiedenen christlichen und jüdischen Gemeinschaften des Reiches spezialisiert hatten.

Seit einigen Jahren beschäftigt sich die historische Forschung vermehrt mit den religiösen Vorstellungen und Praktiken von Muslimen und Nicht-Muslimen im Osmanischen Reich und dem sich wandelnden Spannungsverhältnis von Religion und Politik. Die Historiker bedienen sich dabei neuer Ansätze der Politik-, Sozial- und Kulturgeschichte, wählen oft religionsübergreifende Perspektiven, und richten ihren Blick auch auf zeitgenössische Phänomene in den christlichen Staaten Europas und anderen Weltregionen. Aktuelle Forschungsdiskussionen zur Geschichte Zentral- und Westeuropas in der Neuzeit, auch und gerade zum Thema Politik und Religion, werden in der osmanistischen Forschung daher relativ weit rezipiert.

Ganz im Gegensatz dazu werden Forschungen zur osmanischen Geschichte und zur osmanischen Verflechtungsgeschichte mit dem restlichen Europa in den europäischen Geschichtswissenschaften kaum wahrgenommen. Das Osmanische Reich spielt weiterhin kaum eine Rolle in der europäischen Geschichtswissenschaft wie sie –als Forschung zur Geschichte des christlichen Europas– an den meisten historischen Fakultäten europäischer Universitäten betrieben wird. Zwar fungiert das islamische Großreich im Süden Europas nicht mehr automatisch als das „Andere.“ Auch dient es in Erzählungen zur Geschichte der europäischen Neuzeit nicht mehr unbedingt unreflektiert als Gegenfolie zum christlichen Europa und dortigen Entwicklungen. Ein eigenständiger, nicht zu sprechen ein seiner historischen Rolle entsprechender Platz wurde dem Osmanischen Reich in der europäischen Geschichtsschreibung bislang allerdings nicht eingeräumt; und es sieht nicht so aus, als würde sich daran in näherer Zukunft etwas ändern. Da osmanische Geschichte im Curriculum von Geschichtsstudenten selten bis gar nicht vorkommt und auch die meisten Lehrenden mit den historischen Hintergründen sowie aktuellen Forschungsthemen und -diskussionen wenig vertraut sind, bemüht sich dieser Beitrag um die Darstellung einiger Grundlinien im Verhältnis von Religion und Politik im Osmanischen Reich zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert.


Das Osmanische Reich: Eine Einführung[1]


Weiterführende Literatur

Anmerkungen

  1. Angelehnt an Denise Klein, Osmanisches Reich, in: Ralf Elger (Hg.), Kleines Islamlexikon, 6. Aufl., München 2017.