Essay zu Medienereignis und Bekenntnisbildung: Das Interim im Heiligen Römischen Reich

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Jan Martin Lies und Hans Otto Schneider

Medienereignis und Bekenntnisbildung: Das Interim im Heiligen Römischen Reich


Buchdruck und Reformation

»Mit dem Auftreten Martin Luthers veränderte sich im Buchdruck fast alles.«[1] Diese Feststellung von Hans-Jörg Künast lässt sich freilich auch anders wenden, sodass man mit Johannes Burkhardt sagen kann, dass das Medium Buch in Martin Luther seinen Autor gefunden habe.[2] Zwischen dem Buchdruck und der Reformation lässt sich somit eine geradezu symbiotische Verbindung konstatieren, die den Erfolg für beide garantieren sollte. Befand sich der Buchdruck gegen Ende des 15. Jahrhunderts in einer schwierigen Situation, da die Produktion von Büchern höchst kostenintensiv war und zahlreiche Drucker insolvent wurden, was zwangsläufig eine Stagnation der Neupublikationen zur Folge hatte, so veränderte sich die Lage zu Beginn der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts dramatisch. Mit der Flugschrift entstand ein neues Genre, das aufgrund des deutlich geringeren Papierverbrauchs bei weitem nicht so hohe Herstellungskosten verursachte, wie die Veröffentlichung von Folianten usw.[3] Eröffnete sich für die Drucker dadurch die Möglichkeit zu einem gewinnträchtigen Geschäftsmodell, so ergab sich für die Autoren der Flugschriften die Chance, schnell und mit hohem Aktualitätsbezug ihre Meinungen und Positionen zu bestimmten Themen und Problemstellungen der Zeit zu veröffentlichen.[4] Auch und gerade die Publikationen Martin Luthers (1483–1546) zeichnen sich darum durch ihre Situationsabhängigkeit aus.

Die Reformation wurde vor diesem Hintergrund zum ersten medial ausgetragenen Konflikt, sie war das erste große Medienereignis schlechthin. Rasant stieg die Zahl der Druckerzeugnisse seit 1518 an, um sich dann seit der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts für die nächsten zwei Jahrzehnte auf einem konstant höheren Niveau als zuvor einzupendeln, von einzelnen kleineren Höhepunkten abgesehen.[5] Dabei zeichneten sich die Veröffentlichungen keineswegs nur dadurch aus, dass die Reformatoren in ihnen ihre theologischen Thesen entwickelten und die daraus abgeleiteten Erkenntnisse präsentierten. Vielmehr führte dies zu einem Kampf um die Deutungs- und Definitionshoheit, in dem rasch ganz unterschiedliche Konfliktlinien entstanden. Die Kontroverse zwischen Luther und seinen Mitstreitern einerseits und den romtreuen Autoren andererseits bildete hier nur eine davon, da die Gruppe der Anhänger der Reformation sich zügig ausdifferenzierte und es so zu kontrovers ausgetragenen Abgrenzungsprozessen unter den Reformatoren selbst bzw. mit reformwilligen Humanisten kam (Luther und Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt (1486–1541);[6] Luther und Thomas Müntzer;[7] Luther und Huldrych Zwingli (1482–1531),[8] Luther und Erasmus von Rotterdam (1466/69–1536);[9] Luther und die Täufer[10]). Diese Auseinandersetzung um die Deutungs- und Definitionshoheit wurde durch die immensen politischen und juristischen Implikationen der Reformation[11] umso bedeutsamer. Schließlich versuchte Kaiser Karl V. (1500–1558) im Verbund mit den Reichsständen, den Fürsten und den Stadtobrigkeiten im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, seit dem Wormser Reichstag 1521, die durch die Reformation verlorengegangene Glaubenseinheit wiederherzustellen. Auf allen folgenden Reichstagen sowie bei eigens einberufenen Religionsgesprächen wurde unter politischen Rahmenbedingungen nach einer Lösung des Religionsstreits gesucht.[12] Daher wurde es erforderlich, die theologischen, politischen und juristischen Entwicklungen der Zeit intensiv zu verfolgen und im eigenen Sinn zu kommentieren, um so eine eigene Medienpolitik zu gestalten. Die Notwendigkeit dazu wurde von den Evangelischen im Reich nach der Niederlage des evangelischen Verteidigungsbündnisses, des Schmalkaldischen Bundes, gegen Kaiser Karl V. im Schmalkaldischen Krieg 1546/47[13] als besonders dringlich empfunden, was zu einem sprunghaften Anstieg der Veröffentlichungszahlen führte.[14]


Die Entstehung der »Herrgotts Kanzlei« seit 1548

Nach dem militärischen Triumph sah der Kaiser die Gunst der Stunde gekommen, um die Religionseinheit im Reich zu diktieren. Er berief 1547/48 einen Reichstag nach Augsburg ein, auf dem er den Reichsständen ein Religionsgesetz (»Augsburger Interim«) präsentierte und sie zur Annahme zwang, was als abscheuliches Diktat empfunden wurde (vgl. ⌘ Quelle 1).

Die äußere Situation der militärischen Niederlage und die immer noch im Reich stationierten kaiserlichen Truppen erforderten gerade von den evangelischen Reichsständen aber ein konziliantes Verhalten gegenüber Karl V. In dieser Lage des Jahres 1548 bedurfte es dringend der politischen und theologischen Führung. Doch den Evangelischen im Reich schien es an beidem zu mangeln.

Die Wittenberger Theologieprofessoren galten den Evangelischen im Reich als die entscheidenden Autoritäten in theologischen Streitfragen.[15] Dabei hatte freilich Martin Luther bis zu seinem Tod im Februar 1546, kurz vor Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges, die maßgebliche Autorität zugesprochen bekommen. In den religionspolitischen Turbulenzen des Jahres 1548 richteten sich die Augen der Evangelischen nun auf die anderen Professoren an der Universität Wittenberg, besonders auf Philipp Melanchthon (1497–1560), der allseits bewundernd »praeceptor Germaniae«, »Lehrer Deutschlands« genannt wurde. [16]

Die höchste politische Autorität unter den Evangelischen hatten bis zum Jahr 1546 vor allen Dingen die ernestinischen Kurfürsten von Sachsen[17] gleich in zweifacher Hinsicht beanspruchen dürfen: Zum einen standen sie in ihrer Funktion als Kurfürst, mithin als einer der nur sieben zur Königswahl berechtigten Fürsten, an der Spitze der politischen Hierarchie des Reichs. Zum anderen kam ihnen als Luthers Landesherren eine ganz besondere Schutzfunktion für die evangelische Lehre zu. Nach seinem Sieg 1547 übertrug Karl V. aber zur Bestrafung Johann Friedrichs von Sachsen (1503–1554) die Kurwürde an dessen Cousin Moritz (1522–1553), den albertinischen Herzog von Sachsen.[18] Der bekannte sich zwar zum evangelischen Glauben, hatte sich im Schmalkaldischen Krieg aber aus politischen Nützlichkeitserwägungen auf die Seite des Kaisers gestellt und das Territorium Johann Friedrichs angegriffen. Um ihn für diesen Dienst zu belohnen, verlieh ihm Karl also die Kurwürde. Damit verpflichtete er ihn in besonderem Maße zur Dankbarkeit. Der neue Kurfürst von Sachsen hatte somit zum einen allen Grund zu politischer Rücksichtnahme auf den Kaiser, zum anderen besaß er in Johann Friedrich und dessen Söhnen erbitterte Feinde, und überdies haftete das Verdikt des politischen Opportunismus an ihm (»Judas von Meißen«).[19] Aufgrund von Gebietsgewinnen nach dem Schmalkaldischen Krieg gehörten Stadt und Universität Wittenberg nun zu seinem Territorium, und er band die bekannten und renommierten Wittenberger Theologen in seine Religionspolitik ein, um deren Reputation für sich nutzbar zu machen.

Wiewohl diese, voran Philipp Melanchthon, das Augsburger Interim eigentlich ablehnten, fanden zwischen ihnen und den politischen Beratern des Kurfürsten 1548 zahlreiche geheime Verhandlungen statt.[20] Deren Ergebnis stellte eine Beschlussvorlage für den Leipziger Landtag Ende Dezember 1548 dar. Mit ihr versuchten die Wittenberger, die theologischen Lehrbestimmungen des Augsburger Interims diplomatisch abzulehnen, bei gleichzeitigem großem Entgegenkommen in Kultusangelegenheiten. So sollten nun zahlreiche abgeschaffte Zeremonien und Gebräuche wieder eingeführt werden. Um diese Maßnahmen theologisch abzusichern, entwickelten die Wittenberger Theologen die Lehre von den Adiaphora, also von Mitteldingen, die weder theologisch noch ethisch geboten oder verboten, sondern in jedermanns Ermessen gestellt waren (vgl. ⌘ Quelle 2 und ⌘ 3). Nach der militärischen Niederlage und dem Diktat des Augsburger Interims durch den Kaiser war diese Haltung für zahlreiche Evangelische im Reich nicht nachvollziehbar. Sie erwarteten gerade von den Wittenbergern, als den engsten Vertrauten Martin Luthers, klare Wegweisung in dieser angefochtenen Lage, d. h. kompromisslose Verteidigung von Luthers Erbe.

Die Gegner der Lehre von den Adiaphora und Anhänger eines unbedingten Widerstandsrechts gegen politische, obrigkeitlich verordnete Eingriffe in genuin theologische Angelegenheiten sammelten sich in Magdeburg. Die freie Reichsstadt hatte 1547 nicht vor Karl V. kapituliert und stand folglich noch im Krieg. Sie war darum seit 1547 das Zentrum des letzten politisch-militärischen Widerstands der Evangelischen im Reich gegen den Kaiser. Aus diesem Grund wurde sie zum Zufluchtsort zahlreicher Theologen, die die Einführung des Augsburger Interims in ihren Herkunftsterritorien im Reich entschieden ablehnten und deshalb vertrieben wurden. Damit sammelten sich in der politisch-militärisch widerständigen Reichsstadt nun auch diejenigen, die den theologisch-publizistischen Kampf gegen die kaiserliche Religionspolitik im Reich aufnahmen. Magdeburg war der letzte verbliebene Ort des Reiches, in dem die Druckereien ungehindert und mit hohen Auflagenzahlen Texte gegen das Interim produzierten. Dadurch wurde die Stadt vollends zum Synonym des Widerstands (»Unsers Herrgotts Kanzlei«).[21]


Mediale Mobilmachung

Thomas Kaufman hat in seinem Werk zum »Ende der Reformation« sowohl auf die Ähnlichkeiten als auch auf die Unterschiede zwischen den erhöhten Buchproduktionen zu Beginn der zwanziger und zum Ende der vierziger Jahre des 16. Jahrhunderts hingewiesen.[22] Eine wesentliche Ähnlichkeit liegt in der Verbindung von Politik und Religion sowie der Auseinandersetzung um die »wahre Lehre« als Ausgangspunkt der medial ausgetragenen Kontroversen. Ein zentraler Unterschied findet sich mit Blick auf die Produktionsorte, da anders als zu Beginn der Reformation seit 1548 Magdeburg als Medienzentrum eine singuläre Stellung einnimmt.[23]

Von ganz besonderer Bedeutung ist aber die Differenz der Ausgangssituationen der Kontroversen. Handelte es sich zu Beginn der zwanziger Jahre doch um eine mit offensivem publizistischem Elan vorgetragene Verbreitung des Schriftprinzips (sola sciptura). Luthers Übersetzung der Bibel, mithin die Sache selbst, wurde in dieser Zeit zu dem größten Verkaufserfolg überhaupt. Das Medium verschmolz an dieser Stelle fast vollständig mit dem Anliegen der Reformation. Nach 1548 hingegen handelt es sich um einen furios geführten Abwehrkampf gegen die kaiserliche Religionspolitik. Hier befand man sich in der Defensive oder sah sich zumindest selbst in der Verteidigungsposition gegen eine für die evangelische Lehre als existenzbedrohlich eingeschätzte kaiserliche Politik.

Die nach Magdeburg geflohenen Theologen wandten sich darum gegen jede Form von Nachgiebigkeit und engagierten sich folglich ebenso massiv gegen die Wittenberger Theologen wie gegen das kaiserliche Religionsgesetz selbst. Diplomatisch begründeten Zugeständnissen gegenüber der kaiserlichen Religionspolitik stellten sie nämlich unbedingte theologische Eindeutigkeit und Klarheit gegenüber. Die Ausdifferenzierung der Anhänger der Reformation zu Beginn der zwanziger Jahre fand nach 1548 somit eine Analogie im ausbrechenden Streit zwischen den Anhängern Luthers um dessen Erbe. Das Augsburger Interim wurde damit zum Ausgangspunkt eines lutherischen Bekenntnisbildungsprozess, der sich als abermalig medial ausgetragener Konflikt um die Deutungshoheit präsentierte, diesmal über Luthers Lehre und zentrale Texte, die während der vergangenen Jahrzehnte publiziert worden waren (Confessio Augustana 1530, Schmalkaldische Artikel 1537 usw.). Zur Klärung verschiedener zentraler theologischer Problemstellungen (Widerstandsrecht, Verhältnis von Politik und Religion, Frage der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit, Verhältnis von Gesetz und Evangelium, Möglichkeiten zur Mitwirkung des Menschen am eigenen Heil, Menschenbild, Rechtfertigung, Abendmahlsverständnis und Christologie)[24] wurden in diesem Konflikt hunderte von Streitschriften über Jahrzehnte hinweg veröffentlicht. Dieser lutherische Bekenntnisbildungsprozess fand durch die Aushandlung der Konkordienformel von 1577 und durch die Publikation des Konkordienbuchs von 1580 einen vorläufigen Abschluss.

Um einen möglichst hohen Verbreitungsgrad der eigenen Publikationen zu gewährleisten, verwendeten die Theologen in Magdeburg das Mittel der Satire. So verhöhnten sie die Beschlussvorlage für den Leipziger Landtag als »Leipziger Interim«, publizierten den Text vollständig und versahen ihn mit bissigen Randbemerkungen. Indem sie dies taten, betätigten sie sich als frühneuzeitliche »Whistleblower«, indem sie Briefe an die Wittenberger Theologen sowie deren Absprachen mit den kurfürstlich-sächsischen Beratern veröffentlichten (vgl. ⌘ Quelle 2 und ⌘ 3). Dem Prinzip der Geheimdiplomatie in der Religionspolitik setzten sie folglich die offen ausgetragene theologische Kontroverse entgegen.

Da sie aber keineswegs nur Streitschriften, sondern auch Lieder und Bilder veröffentlichten, erreichten ihre Thesen in einer überwiegend illiteraten Gesellschaft noch größere Bevölkerungsschichten. Die volkstümliche Sprache in ihren Publikationen, repräsentiert durch zahlreiche Schimpf- und Schlagworte und durch die ebenso umfängliche Verwendung zeitgenössischer Redewendungen, sowie die unzweideutigen Darstellungen des Augsburger Interims in bildlicher Gestalt, vermittelte den Lesern und Betrachtern ihrer Veröffentlichungen ihre Gegnerschaft zum Augsburger Interim, zur Leipziger Landtagsvorlage und damit verbunden zu der Lehre von den Adiaphora in unmissverständlicher polemischer Schärfe (vgl. ⌘ Quelle 4).


Politik und Religion – Eine mediale Verhältnisbestimmung

Die Reformation stellte die Glaubens- und Kultuseinheit im Reich in Frage. Die politischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen des »Heiligen Römische Reichs deutscher Nation« wurden auf diese Art und Weise grundsätzlich in Frage gestellt. Karl V. ging es in seiner Funktion als Kaiser, mithin als Garant der politischen Einheit des Reichs sowie als »Advocatus ecclesiae«, um die Beilegung des Religionsstreits und damit um die Wiederherstellung der Glaubens- und Kultuseinheit im Reich. Sein Religionsgesetz aus dem Jahr 1548, das Augsburger Interim, war somit ein auf die reichsweite Einheit zielender, kirchenpolitischer Ordnungsversuch des Kaisers, der ein Ergebnis der damaligen Verflechtung von Politik und Religion darstellte. Die Leipziger Landtagsvorlage wiederum war ein territorialpolitisch ansetzender kirchenpolitischer Ordnungsversuch, der vor dem Hintergrund der militärischen Niederlage der Evangelischen und der Notwendigkeit zu diplomatischer Rücksichtnahme auf Karl V. zustande kam.

Im Zuge der Reformation waren seit 1517 in zahlreichen Publikationen emanzipatorische Thesen aufgestellt und Meinungen vertreten worden. Konkret hieß dies, dass die Frage nach der Gewissensfreiheit und damit verbunden nach einem Widerstandsrecht gegen eine Obrigkeit diskutiert wurde, die gegen die reformatorische Lehre – die »wahre Lehre« aus der Perspektive der Evangelischen – vorging. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um die Deutungs- und Definitionshoheit theologischer, politischer und juristischer Positionen, der für die Zeitgenossen einen endzeitlichen Kampf um »die Wahrheit« darstellte,[25] hatte somit im Protestantismus ein Prozess der Intensivierung des Verhältnisses von Politik und Religion begonnen. Mittels der Streitschriften, Lieder und Bilder, die im Zuge der Kontroversen entstanden, die sich am Augsburger Interim endzündeten, wurde sowohl aufgrund der apokalyptischen Vorstellungen der Zeit als auch wegen der politischen Eingriffe in Glaubens- und Kultusfragen ein mit allen publizistischen Mitteln der Zeit geführter, existenziell angesehener Verteidigungskampf für die theologische Selbstbehauptung und Eigenständigkeit geführt.

Da ein auf Einheit zielendes politisches Ordnungssystem keine Möglichkeiten zum Umgang mit unterschiedlichen theologischen Positionen und den daraus folgenden politischen und juristischen Konsequenzen bot, mussten neue Ordnungsvorstellungen entwickelt werden, um die theologischen Differenzen zu bewältigen. Eine vorläufige politische Lösung wurde mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 erzielt, der zwar die Fiktion einer in der Zukunft möglichen Wiederherstellung der Einheit aufrechterhielt, der aber gleichwohl in der Gegenwart den Dissens durch Herstellung von Sicherheit einhegte.[26]


Anmerkungen

  1. Hans-Jörg KÜNAST, »Getruckt zu Augspurg«. Buchdruck und Buchhandel in Augsburg zwischen 1468 und 1555, Tübingen 1997, S. 225.
  2. Vgl. Johannes BURKHARDT, Das Reformationsjahrhundert. Deutsche Geschichte zwischen Medienrevolution und Institutionenbildung 1517–1617, Stuttgart 2002, bes. S. 26–30.
  3. Vgl. ebd., S. 26–28; vgl. zu Flugschriften allgemein Hans-Joachim KÖHLER, Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit, Stuttgart 1981.
  4. Vgl. ebd., S. 28.
  5. Mit Statistiken hierzu vgl. Hans-Joachim KÖHLER, Erste Schritte zu einem Meinungsprofil der frühen Reformationszeit, in: Volker PRESS / Dieter STIEVERMANN (Hg.), Martin Luther. Probleme seiner Zeit, Stuttgart 1986, S. 244–281.
  6. Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, war Kollege Luthers an der theologischen Fakultät der Universität Wittenberg. Er hatte sich Luthers Lehrmeinungen angeschlossen und war als entschiedener Mitstreiter Luthers aufgetreten. Nachdem auf dem Wormser Reichstag 1521 die Reichsacht über Luther verhängt worden war, wurde dieser von Kurfürst Friedrich III., dem Weisen, auf der Wartburg untergebracht. In dieser Zeit der Abwesenheit Luthers aus Wittenberg versuchte Karlstadt weitreichende liturgische Veränderungen in Wittenberg umzusetzen (Austeilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt, Ablegen des Chorrocks usw.), die Luther als zu übereilt und verfrüht ablehnte und die er nach seiner Rückkehr in die Universitätsstadt 1522 rückgängig machte. Hinzu traten weitere gravierende theologische Unterschiede (Karlstadt lehnte die Kindertaufe ab). Daraus entwickelte sich ein Konflikt, der schließlich zum Bruch zwischen den beiden führte. Vgl. Martin BRECHT, Martin Luther. Band 1: Sein Weg zur Reformation 1483–1521, Stuttgart ²1983, S. 124; Ders., Martin Luther. Band 2: Ordnung und Abgrenzung der Reformation 1521–1532, Stuttgart 1986, S. 34–53, 66–72, 158–172.
  7. Thomas Müntzer war ein Parteigänger Luthers, der 1520 von Luther noch nach Zwickau empfohlen wurde. Zu Beginn der zwanziger Jahre radikalisierte er sich jedoch zusehends in seiner Klerus- und Sozialkritik. Dies führte ihn zu einer scharfen Verurteilung der politischen Verhältnisse und machte ihn zu einem der bedeutendsten Persönlichkeiten im Bauernkrieg 1525. Seine Kritik speiste sich dabei aus einem apokalyptischen Zeitverständnis sowie mystischen Vorstellungen, in denen die Bedeutung des Wirkens des Heiligen Geistes gegenüber der Wortverkündigung des Evangeliums und die Bedeutung der Gesetzespredigt gegenüber der Evangeliumspredigt hervorgehoben wurden. Vgl. BRECHT, Martin Luther II, S. 43f, 148–158,172–193.
  8. Zwischen Luther und dem Zürcher Reformator Zwingli kam es in der Mitte der zwanziger Jahre zu einem intensiv geführten Streit über das Abendmahlsverständnis. Während Luther weiterhin die reale Präsenz Christi im Abendmahl betonte, vertrat Zwingli die Vorstellung des Abendmahls als eines Gedächtnismahls. Vgl. Walther KÖHLER, Zwingli und Luther. Ihr Streit über das Abendmahl nach seinen politischen und religiösen Beziehungen, 2 Bde., Leipzig 1924, Gütersloh 1953.
  9. Erasmus von Rotterdam war der wohl bedeutendste und bekannteste Humanist seiner Zeit nördlich der Alpen. Zu Luthers Lehre vertrat er rasch eine differenzierte Position, indem er zwischen in seinen Augen richtigen Anliegen Luthers und zu weitreichenden Forderungen und Thesen unterschied, wobei ihm auch Luthers Herangehens- und Ausdrucksweise teils zu heftig war. Zum offenen Bruch zwischen den beiden kam es im Zuge des Streits um die Freiheit des menschlichen Willens 1525. Während Erasmus betonte, dass der Mensch in seinen Entscheidungen für oder gegen das Heil frei sei, hielt Luther mit Nachdruck daran fest, dass der Mensch sich aus eigenem Vermögen nicht gegen die Sünde und für ein Leben im Gehorsam gegenüber Gottes Geboten entscheiden könne. Vgl. BRECHT, Martin Luther II, S. 210–234.
  10. Luther widersprach aufgrund des Befehls Christi, dass man die Kinder zu ihm kommen lassen solle (Mt 19,14, Mk 10,14) zunächst Karlstadt und Müntzer (seit 1524), sodann im Laufe der zwanziger Jahre auch den aus der Schweiz beeinflussten Kritikern der Säuglingstaufe. Vgl. BRECHT, Martin Luther II, S. 325–328.
  11. Vgl. dazu Irene DINGEL u.a. (Hg.), Reformation und Recht. Festgabe für Gottfried Seebaß zum 65. Geburtstag, Gütersloh 2002; Luise SCHORN-SCHÜTTE / Robert VON FRIEDEBURG (Hg.), Politik und Religion. Eigenlogik oder Verzahnung? Europa im 16. Jahrhundert, München 2007; Luise SCHORN-SCHÜTTE, Gottes Wort und Menschenherrschaft. Politisch-theologische Sprachen im Europa der Frühen Neuzeit, München 2015.
  12. Vgl. dazu Irene DINGEL, Art. Religionsgespräche IV. Altgläubig – protestantisch und innerprotestantisch, in: TRE 28 (1997), S. 654–681; Wibke JANSSEN, »Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren«. Philipp Melanchthon und die Reichsreligionsgespräche 1540/41, Göttingen 2009.
  13. Wieland HELD, 1547. Die Schlacht bei Mühlberg/Elbe. Entscheidung auf dem Wege zum albertinischen Kurfürstentum Sachsen, Beucha 1997.
  14. Vgl. zur Buchproduktion in Magdeburg Thomas KAUFMANN, Das Ende der Reformation. Magdeburgs »Herrgotts Kanzlei« (1548–1551/2), Tübingen 2003, S. 559–565.
  15. Vgl. Armin KOHNLE, Wittenberger Autorität. Die Gemeinschaftsgutachten der Wittenberger Theologen als Typus, in: Irene DINGEL / Günther WARTENBERG (Hg.), Die Theologische Fakultät Wittenberg 1502 bis 1602. Beiträge zur 500. Wiederkehr des Gründungsjahres der Leucorea, Leipzig 2002, S. 189–200.
  16. Zu ihm vgl. Heinz SCHEIBLE, Melanchthon. Eine Biographie, München 1997.
  17. Friedrich III. der Weise (reg. 1486–1525); Johann der Beständige (reg. 1525–1532); Johann Friedrich I., der Großmütige (reg. 1532–1547, Hz. v. Sachsen bis 1554).
  18. Vgl. zum Übergang der Kurwürde und dem damit angeheizten innerwettinischen Konflikt Enno BÜNZ, Eine Niederlage wird bewältigt. Die Ernestiner und Albertiner 1547 bis 1554, in: Karlheinz BLASCHKE (Hg.), Moritz von Sachsen – Ein Fürst der Reformationszeit zwischen Territorium und Reich. Internationales wissenschaftliches Kolloquium vom 26. bis 28. Juni 2003 in Freiberg (Sachsen), Stuttgart 2007, S. 94–117.
  19. Vgl. Gabriele HAUG-MORITZ, Judas und Gotteskrieger. Kurfürst Moritz, die Kriege im Reich der Reformationszeit und die »neuen Medien«, in: BLASCHKE (Hg.), Moritz von Sachsen, S. 235–259.
  20. Vgl. Günther WARTENBERG, Philipp Melanchthon und die sächsisch-albertinische Interimspolitik, in: LuJ 55 (1988), S. 60–82; wieder abgedruckt in: Günther WARTENBERG, Wittenberger Reformation und territoriale Politik. Gesammelte Aufsätze, hg. von Jonas FLÖTER / Markus HEIN, Leipzig 2003, S. 87–103.
  21. Vgl. KAUFMANN, Das Ende der Reformation.
  22. Vgl. ebd., S. 45–47.
  23. Vgl. Anm. 14.
  24. Vgl. dazu die Publikationen des Forschungs- und Editionsprojekts »Controversia et Confessio«: Irene DINGEL (Hg.), Reaktionen auf das Augsburger Interim. Der Interimistische Streit (1548–1549), Göttingen 2010; dies. (Hg.), Der Adiaphoristische Streit (1548–1560), Göttingen 2012; dies. (Hg.), Der Majoristische Streit (1552–1570), Göttingen 2014; dies. (Hg.), Der Antinomistische Streit (1556ff), Göttingen 2016; dies. (Hg.), Die Debatte um die Wittenberger Abendmahlslehre und Christologie (1570–1574), Göttingen 2008.
  25. Vgl. dazu Volker LEPPIN, Antichrist und Jüngster Tag. Das Profil apokalyptischer Flugschriftenpublizistik im deutschen Luthertum 1548–1618, Gütersloh 1999.
  26. Zur Betonung des Werts von Sicherheit im Augsburger Religionsfrieden vgl. Johannes BURKHARDT, Konfessionsbildung als europäisches Sicherheitsrisiko und die Lösung nach Art des Reiches, in: Christoph KAMPMANN / Ulrich NIGGEMANN (Hg.), Sicherheit in der Frühen Neuzeit. Norm – Praxis – Repräsentation, Köln u.a. 2013, S. 181–190; zum Augsburger Religionsfrieden vgl. zudem Martin HECKEL, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, Göttingen ²2001.